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Jürgen Hartmann

Politik auf den Trümmern der Zweiten Welt. Rußland, Osteuropa und die asiatische Peripherie

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 1998; 245 S.; kart., 48,- DM; ISBN 3-593-35977-4
Der Politikwissenschaftler Hartmann will mit dem vorliegenden Buch dazu ermuntern, für die Analyse der politischen Prozesse in den postkommunistischen Reformstaaten eine sorgfältige Unterscheidung hinsichtlich der Untersuchungsmethoden vorzunehmen. In erster Linie zielt sein Plädoyer darauf ab, auf eine angebliche heuristische Schwachstelle der Demokratisierungs- und Transitionsforschung aufmerksam zu machen. Diese theoretischen Ansätze berücksichtigen nach Ansicht des Autors nicht, daß in manchen der Staaten die begonnenen Reformen nicht automatisch zu Demokratie und Marktwirtschaft führen, sondern auch durchaus steckenbleiben oder scheitern können. Studien in einem regionalen Kontext, Institutionentheorie, die klassische Modernisierungstheorie und andere Ansätze hält er für den Vergleich derart disparater Gesellschaften für genauso geeignet wie die Ansätze der Transitions- oder Systemwechselforschung. Hartmanns zentrale These lautet, daß es sich bei allen Gesellschaften der Region um hybride Gesellschaften handelt, die sich in verschiedenen Stadien zwischen den sozialistischen Strukturen und den angestrebten liberaldemokratischen Systemen befinden. Der Hauptteil der Arbeit untersucht die politische Kultur, die historische Vorformung der politischen und wirtschaftlichen Strukturen, das Verhältnis von Stadt und Land, Probleme der Nationenbildung, die Herausbildung von politischen Institutionen und marktwirtschaftlichen Strukturen sowie die Effizienz von staatlichen Strukturen. Im Sinne der These unterscheidet der Autor dabei die unterschiedlichen Staaten der GUS, Ostmittel- und Südosteuropas hinsichtlich dieser Merkmale. Als Grundlage der Ausführungen dient Hartmann ausschließlich westliche oder in westlichen Zeitschriften veröffentlichte Sekundärliteratur. Inhalt: I. Systemwechsel und Politikwissenschaft: 1. Das nachsozialistische Dilemma der Transitionsforschung; 2. Die Regimeperspektive; 3. Der Systemaustausch; 4. Modernisierungskrisen; 5. Historische und kulturelle Analogien; 6. Institutionentheorie. II. Initialzündung: Systemverfall und Blockauflösung; III. Europa, Asien, Eurasien - Versuch einer Begriffsentwirrung; IV. Machtbilder: 1. Rußland und die Sowjetunion; 2. Despotische Erblasten, Tribalismus und Nationalismus in Südosteuropa und im Kaukasus; 3. Autoritäre Altlasten in Ostmitteleuropa; 4. Alte und neue Zerklüftungen in der sozialistischen Ära. V. Lernprozesse: Historische Vorbelastungen; VI. Stadt und Land; VII. Nationalismus; VIII. Verfassung und Regime: 1. Parlamentarismus in Ostmitteleuropa; 2. Präsidialdemokratie in der GUS; 3. Präsidialer Autoritarismus in der südlichen GUS; 4. Südosteuropas unklare Präsidialregime; 5. Verfassungsnationalismus und diffuser Föderalismus. IX. Property rights und Marktreform: 1. Erblasten und Planwirtschaft; 2. Therapien und Behandlungsängste bei Einsteuerung in die Marktwirtschaft; 3. Das Privatisierungsprojekt: Vorsätze und Risiken; 4. Privatisierungspolitik in Ostmitteleuropa; 5. Privatisierungspolitik in Rußland und der übrigen nachsozialistischen Welt; 6. Privatisierung der Landwirtschaft. X. Interessenorganisationen: 1. Gewerkschaften und Systemtausch; 2. Gewerkschaften auf dem Weg zur kapitalistischen Normallage in Ostmitteleuropa?; 3. Rußland und Ukraine; 4. Ist der politisch fabrizierte Kapitalismus vereinsfähig? XI. Parteien: 1. Nachsozialistische Parteien im Koordinatensystem der allgemeinen Parteienentwicklung; 2. Liberale, konservative und linke Parteien im Kontext der ostmitteleuropäischen Politik; 3. Regimezentrierte Protoparteien in Rußland und der Ukraine; 4. Baltische Gegenprobe; 5. Die Parteienwüsten Südosteuropas und der asiatischen GUS. XII. Staat: 1. Kursvarianten für den nachsozialistischen Staatsdampfer; 2. Wahrnehmbare Staatseffektivität in Ostmitteleuropa; 3. Blasse Staatskonturen in der europäischen GUS und Rußland; 4. Staat und Staatsbeute in Südosteuropa und der asiatischen GUS; XIII. Hybride Gesellschaften.
Sven Christian Singhofen (SCS)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaft (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.62 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Sven Christian Singhofen, Rezension zu: Jürgen Hartmann: Politik auf den Trümmern der Zweiten Welt. Frankfurt a. M./New York: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/5351-politik-auf-den-truemmern-der-zweiten-welt_7021, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 7021 Rezension drucken