Skip to main content
Guenther Sandleben

Politik des Kapitals in der Krise. Eine empirische Studie

Hamburg: VSA 2011; 166 S.; 12,80 €; ISBN 978-3-89965-485-1
Sandleben untersucht die Interessen und Strategien von Staat, Unternehmern und Arbeitnehmern im Verlauf der Wirtschaftskrise. Interessante Ergebnisse bringt dabei vor allem die von ihm unternommene Unterscheidung zwischen drei Ebenen der Krisenbearbeitung hervor: Während auf der Makroebene ein wirtschaftspolitischer Paradigmenwechsel mit dem Ziel der Aufrechterhaltung des Systems stattfand, bei dem sowohl Politik als auch Kapital erstaunlich geschlossen agierten, kam es auf einer intermediären Ebene zu massiven Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Kapitalformen (Finanz- vs. Industriekapital, binnenmarkt- vs. exportorientiertes Kapital etc.). Vor allem hier kam die unterschiedliche Ausstattung mit Ressourcen und politischem Einfluss deutlich zum Tragen. Auf der einzelwirtschaftlichen (betrieblichen) Interventionsebene schließlich konkurrierten sämtliche Unternehmen gegeneinander, mit dem Ziel ihre Verluste zu minimieren (detaillierter werden hierfür in zwei Fallstudien Opel und Arcandor untersucht). Die Politik der Arbeitnehmer konzentrierte sich dabei vor allem auf die Mikroebene, wo die Beschäftigten in der Regel unhinterfragt die Interessen „ihres“ Kapitals unterstützten (Sandleben spricht vom „Krisenkorporatismus aus Gewerkschaft, Betriebsrat und Unternehmensleitung“ [150]). Deutlich wird aber auch, wie z. B. die Segmentierung des Arbeitsmarktes nur wenig praktische Alternativen zu solchen Solidarisierungsleistungen offenließ. Zum empirischen Gehalt sei angemerkt, dass sich der Autor ausschließlich auf Sekundärliteratur und publizistische Veröffentlichungen stützt – somit findet sich insgesamt zwar wenig Neues, das strukturierte Zusammentragen von Informationen ermöglicht allerdings einen guten Einstieg und Einblick in Verlauf und Formen der Krisenprozesse und -auseinandersetzungen. So hat das Buch insgesamt oftmals einen stärker publizistischen als wissenschaftlichen Charakter und gleitet gelegentlich auch ins Populistische ab – etwa wenn vermerkt wird, dass „der betriebliche Alltag die Lohnabhängigen zur Unterwürfigkeit und zur Passivität erzogen“ (146) habe. Derartige Aussagen sind in ihrem Kern nicht zwangsläufig falsch – ohne eine kapitalismus- und staatstheoretische Untermauerung, die man in der Studie leider vermisst, bleiben allerdings wenige Anknüpfungspunkte für die sozialwissenschaftliche Krisenforschung.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.342 | 2.331 | 2.2 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Guenther Sandleben: Politik des Kapitals in der Krise. Hamburg: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14892-politik-des-kapitals-in-der-krise_41537, veröffentlicht am 08.03.2012. Buch-Nr.: 41537 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken