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Stephan Merl

Politische Kommunikation in der Diktatur. Deutschland und die Sowjetunion im Vergleich

Göttingen: Wallstein Verlag 2012 (Das Politische als Kommunikation 9); 184 S.; brosch., 9,90 €; ISBN 978-3-8353-1153-4
Nicht die repressiven Elemente von Diktaturen stehen im Mittelpunkt der Untersuchung von Stephan Merl, sondern systemstabilisierende Faktoren. Der Bielefelder Professor für Osteuropäische Geschichte unternimmt dabei einen deutsch‑russischen Vergleich auf zwei Ebenen: der des nationalsozialistischen Regimes und der stalinistischen Periode in der Sowjetunion und der DDR sowie der der poststalinistischen Ära. Er fragt nach den Mitteln und Wegen, mit denen es „Diktaturen gelang, die überwältigende Masse der Bevölkerung dazu zu bringen, die Verfolgung ihrer Mitbürger […] zu tolerieren […] und sich zugleich mit der Tatsache der eigenen Bedrohung zu arrangieren“ (8). Dies wurde für Merl durch spezifische Strategien politischer Kommunikation erreicht. Der Annahme liegt eine wiederum spezifische Definition von Kommunikation im politischen Raum zugrunde: Diese wird nur als solche aufgefasst, wenn sie breite Massen ansprach und überindividuell wirkte. Der Begriff der Diktatur wird dabei nicht in Bezug auf das politische System, sondern auf die Kommunikationsstruktur gebraucht. Im Argumentationsverlauf werden einige interessante Thesen entwickelt. In Anknüpfung an Hans Mommsens These von Hitler als „schwachem Diktator“ (siehe etwa Buch‑Nr. 11859) sieht Merl diese Schwachheit systemtheoretisch als stabilisierend an, reales Handeln in der Bevölkerung musste so nicht unbedingt den theoretischen ideologischen Vorgaben folgen. Ineffizienz wäre demnach kein Grund für den Niedergang der Diktaturen – vielmehr konnten diese „ihre Ineffizienz mittels der eingesetzten kommunikativen Techniken über Jahrzehnte weitgehend überspielen“ (163). Systemstabilisierend habe weiterhin die Verhinderung von Politisierungsprozessen gewirkt, in dem die „Regime die kollektive Identität vor ,kommunikativer Verflüssigung‘ bewahrten“ (164). Sobald es nicht mehr gelungen sei, die Bevölkerung an dazu eingesetzten Ritualen zu beteiligen – inhaltlich sei dabei gar keine Überzeugung notwendig, die formale Beteiligung ausreichend gewesen –, habe das Ende der Diktatur kurz bevor bestanden.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.25 | 2.62 | 2.314 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Stephan Merl: Politische Kommunikation in der Diktatur. Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9267-politische-kommunikation-in-der-diktatur_43253, veröffentlicht am 28.02.2013. Buch-Nr.: 43253 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken