Wie viele europäische Mitgliedstaaten steht auch Deutschland unter einem erheblichen Reformdruck. Ökonomischer Strukturwandel, verschärfter internationaler Wettbewerb, Überalterung der Gesellschaft – diese und andere Stichworte umschreiben die Notwendigkeit eines institutionellen Umbaus der zentralen Systeme in den Bereichen Arbeit, Bildung und Soziales. Substantielle Reformen müssen nicht nur fachlich überzeugen, sie bedürfen auch der Akzeptanz der Bevölkerung. Je stärker sich jedoch moderne Gesellschaften im Zuge der Individualisierung in vielfältige soziale Milieus und heterogene Lebenslagen auffächern, desto weniger kann Akzeptanz einfach vorausgesetzt werden. Dieses Problem greift Neugebauer auf. Um erfolgreich kommuniziert werden zu können, müssen sich Reformpolitiken auf Mentalitäten und Befindlichkeiten der einzelnen Zielgruppen angemessen einstellen. Mit diesem Buch, das sich hauptsächlich an Parteien richtet, trägt der Autor zu einer aktuellen politischen Anatomie des deutschen Elektorats bei. Dabei berücksichtigt er insbesondere Einstellungen und Wertorientierungen der neuen politischen Milieus. Für diese Zwecke führt die Studie Ergebnisse von drei Teilstudien zusammen: zweier qualitativer Analysen von Reformeinstellungen unterschiedlicher Fokusgruppen und einer darauf aufbauenden Repräsentativerhebung, die sich intensiv mit Werten und Einstellungen in neun politischen Milieus befasst. Bisher – so zeigen die Befunde – haben die in Deutschland eingeleiteten Reformpolitiken die Verunsicherung in weiten Teilen der Bevölkerung verstärkt. Dabei besteht eine hohe Sensibilität für die zunehmende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft. Besonders betroffen sind jene politischen Milieus, die sich als Verlierer der gesellschaftlichen Modernisierung sehen – und hier bildet das „abgehängte Prekariat“ ein Segment der Unterschicht, in dem sich Enttäuschungen und Abstiegserfahrungen konzentrieren.