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Carmen Everts

Politischer Extremismus. Theorie und Analyse am Beispiel der Parteien REP und PDS

Berlin: Weißensee Verlag 2000; 362 S.; 25,- €; ISBN 3-934479-24-3
Politikwiss. Diss. TU Chemnitz; Gutachter: E. Jesse, H.-G. Jaschke, A. Söllner. - Die Frage, unter welchen Bedingungen eine Partei als extremistisch zu bezeichnen ist und wie mit extremistischen Parteien im politischen Prozess zu verfahren ist, spielt in der politischen Diskussion immer wieder eine bedeutende Rolle (vgl. den Antrag auf ein Verbot der NPD und die Diskussion über die Koalitionsfähigkeit der PDS). Die Beantwortung dieser Fragen setzt auf der theoretischen Ebene die Klärung des Begriffs des Extremismus voraus. Diesem Ziel dient die Dissertation: Everts behandelt erstens ausführlich die bisherige Literatur zur Abgrenzung extremistischer Parteien, entwickelt zweitens einen eigenen Definitionsvorschlag und weist drittens auf dieser Grundlage den extremistischen Charakter der Republikaner und der PDS nach. Ihre eigene Abgrenzung geht davon aus, dass eine "Grenzziehung zwischen Demokratie und Extremismus" "normativ geleitet[...]" sein müsse (18): Extremistische Parteien zeichnen sich dadurch aus, dass sie den minimalen Wertekonsens, auf dem Demokratien beruhen, ablehnen. Den Inhalt dieses Konsenses sieht die Autorin in der Würde und der Gleichheit der Menschen als Leitnorm, in der Akzeptanz demokratischer Regeln für den Willensbildungsprozess und in dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (174). In einer Negativabgrenzung ergeben sich daraus drei "Wesensmerkmale des politischen Extremismus": "die Ablehnung der fundamentalen Menschengleichheit", einen die Freiheit des Einzelnen beschränkenden "Absolutheitsanspruch" und die Ablehnung "rechtsstaatlicher Schutzmechanismen gegen staatliche Willkür" (310); als zusätzliches Merkmal führt sie "eine offene oder latente Gewaltbereitschaft, Freund-Feind-Stereotype und Intoleranz gegen Andersdenkende" an (174). Die Arbeit leistet sowohl im theoretischen, als auch im empirischen Teil einen wertvollen Beitrag zum Vergleich von links- und rechtsextremistischen Positionen und ist damit auch im Rahmen der Totalitarismusdiskussion von Interesse. Fraglich ist jedoch, ob es tatsächlich möglich ist, politischen Extremismus unter Verzicht auf den Ideologiebegriff abzugrenzen. Everts will dies mit der Negativdefinition (Ablehnung des demokratischen Minimalkonsenses) erreichen. Doch eine solche Definition leistet gerade dem Freund-Feind-Schema Vorschub, das sie explizit vermeiden will (siehe 15): Extremistisch ist der, der anders denkt. Die Problematik dieser Definition zeigt sich daran, dass z. B. Aristoteles wegen seiner Rechtfertigung einer natürlichen Ungleichheit der Menschen ihr zufolge als Extremist gelten müsste, während es umgekehrt schwer wird, dem Entwurf eines neuen Parteiprogramms der PDS von den Brüdern Brie und Klein einen extremistischen Charakter nachzuweisen. Diese Schwierigkeiten ließen sich unter Berücksichtigung des ideologischen Charakters des jeweiligen Denkens lösen, denn anders als beim Programmentwurf der PDS dürfte es bei der politischen Philosophie von Aristoteles schwer fallen, sie als ideologisch einzustufen.
Hendrik Hansen (HH)
Dr., Lehrbeauftragter, Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Passau.
Rubrizierung: 2.372.331 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Hansen, Rezension zu: Carmen Everts: Politischer Extremismus. Berlin: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14067-politischer-extremismus_16852, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 16852 Rezension drucken