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Esther Seha

Post-sozialistische Regierungssystemreform. Armenien, Kroatien, Russland und die Ukraine im Vergleich

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Comparative Politics – Vergleichende Politikwissenschaft 4); 343 S.; brosch., 62,- €; ISBN 978-3-8487-1985-3
Politikwiss. Diss. Lüneburg; Begutachtung: F. Müller‑Rommel, F. Grotz. – Esther Seha fragt, warum in Armenien, Kroatien, Russland und der Ukraine im Laufe der ersten beiden Transformationsjahrzehnte Regierungssystemreformen angestoßen wurden, die einen Wandel weg von präsidentiell‑parlamentarischen hin zu premier‑präsidentiellen Regierungssystemen zum Ziel hatten. Diese Frage ist insofern relevant, als diese Reformprozesse der Annahme widersprechen, dass starke Präsidenten nur ungern ihrer eigenen Entmachtung durch solche verfassungspolitischen Reformen zustimmen und so einer institutionellen Demokratisierung im Wege stünden. Während in Armenien, Kroatien und der Ukraine die Prozesse in eine tatsächliche Reform des Regierungssystems mündeten, fand in Russland nur eine Reformdiskussion, jedoch nicht deren Umsetzung statt. Seha analysiert im Rahmen eines qualitativen Vergleichsdesigns anhand von Prozessanalysen deshalb die Bedingungen für die Initiierung der Reformprozesse sowie ihren Verlauf und Abschluss. Dabei unterscheidet sie drei Phasen (Agendasetzung, Politikformulierung und Entscheidungsfindung), um die Fälle systematisch vergleichen zu können. Die Untersuchung zeigt unter anderem, dass sich die vier Fälle hinsichtlich ihrer Reformhäufigkeit und ‑dynamik unterscheiden. Während in Kroatien und Russland jeweils nur einmal der Versuch einer Reform unternommen wurde, gab es in Armenien zwei und der Ukraine gar vier Reformanläufe. Zudem ist festzuhalten, dass in Armenien, Kroatien und Russland die Prozesse punktuell stattfanden, in der Ukraine hingegen eine kontinuierliche Reformdiskussion zu beobachten ist. Alle vier Reformprozesse wurden entweder durch die Präsidenten initiiert oder mitinitiiert, sodass die „Reduzierung präsidialer Vollmachten nicht ohne Mitwirkung der Präsidenten selbst erfolgt ist“ (280). Dabei ist festzuhalten, dass die Zuordnung zu einem Verlaufstyp (Reform durch oder mit Präsident) keine Aussage über den Erfolg oder Misserfolg eines Reformvorhabens zulässt. Da systematische Analysen zum institutionellen Entwicklungsprozess der post‑sozialistischen Systeme bisher rar sind, schließt diese umfangreiche und gut lesbare Studie eine wichtige Forschungslücke im Rahmen der vergleichenden Analyse von Transformationsprozessen.
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Rubrizierung: 2.212.222.612.622.63 Empfohlene Zitierweise: Christoph Mohamad-Klotzbach, Rezension zu: Esther Seha: Post-sozialistische Regierungssystemreform. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39123-post-sozialistische-regierungssystemreform_47339, veröffentlicht am 26.11.2015. Buch-Nr.: 47339 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken