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Kristina Kontzi

Postkoloniale Perspektiven auf "weltwärts". Ein Freiwilligendienst in weltbürgerlicher Absicht

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik 15); 256 S.; 49,- €; ISBN 978-3-8487-1711-8
Diss. Lüneburg. – Kristina Kontzi widmet sich dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“, der 2008 vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung (BMZ) unter dem Motto „Lernen durch tatkräftiges Helfen“ ins Leben gerufen worden ist. Mit diesem Programm wird es jungen Deutschen im Alter zwischen 18 und 28 Jahren ermöglicht, in einem Projekt im Ausland mitzuwirken, da die Kosten größtenteils vom BMZ übernommen werden. Die Autorin verortet „weltwärts“ im Bereich der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, es sei als Projekt einer „Bildung für nachhaltige Entwicklung und des Globalen Lernens“ (91) zu verstehen. Die Anzahl der Entsendungen sei seit 2008 laufend gestiegen, das Programm erfreue sich insgesamt, besonders aber bei Frauen, großer Beliebtheit und erfahre mittlerweile bei den verschiedenen politischen Bundestagsfraktionen breite Unterstützung. Dennoch bewertet sie „weltwärts“ eher kritisch. Mithilfe postkolonialer und feministischer Theorien untersucht die Autorin die Programmstrukturen und fragt nach deren kolonialem Erbe sowie nach dem Nutzen für die Teilnehmenden. Dabei gelangt sie zu dem Ergebnis, dass „weltwärts“‑Freiwillige bestehende global‑gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse weiter fortschreiben und festigen. Zudem erlangen sie im eigenen Inland eine für sie vorteilhafte Position – wobei nur sehr wenige junge Menschen mit Haupt‑ oder Realschulabschluss teilnehmen, die Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilnahme von Personen aus verschiedenen ökonomischen und sozialen Kontexten sieht Kontzi als nicht gegeben. Vielmehr werde „eine gesellschaftlich bereits gut positionierte Gruppe weiter gefördert“, was sich auch im weiteren Werdegang nach ihrem Aufenthalt spiegele: 79 Prozent nehmen nach ihrer Rückkehr ein Studium auf, sodass ein „‚Empowerment der bereits Empowerten‘“ (113) stattfinde. Die Gelder des Entwicklungshilfeetats kämen größtenteils Akteur_innen in Deutschland zugute – neben den Freiwilligen den im Rahmen von „weltwärts“ beschäftigten Personen hierzulande. Bezogen auf das Ziel der Unterstützung der Partnerorganisationen im Ausland – die Nachhaltigkeit – wäre es der Autorin zufolge effizienter, Menschen in den jeweiligen Ländern zu unterstützen: „Ortsansässige Freiwillige sprächen bereits die erforderliche Sprache, bedürften weniger Einarbeitungszeit und müssten nicht eingeflogen werden, was wiederum der Dimension der ökologischen Nachhaltigkeit zuträglich wäre“ (224). Solange der Bedarf an Entwicklung weiterhin im globalen Süden zu verorten sei, werde es schwierig werden, einen Austausch auf „Augenhöhe“ (238) zu realisieren, lautet der eher ernüchternde Ausblick der Autorin.
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Rubrizierung: 4.44 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Kristina Kontzi: Postkoloniale Perspektiven auf "weltwärts" Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39117-postkoloniale-perspektiven-auf-weltwaerts_46955, veröffentlicht am 26.11.2015. Buch-Nr.: 46955 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken