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Dittmar Schorkowitz

Postkommunismus und verordneter Nationalismus. Gedächtnis, Gewalt und Geschichtspolitik im nördlichen Schwarzmeergebiet

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2008 (Gesellschaften und Staaten im Epochenwandel 15); 445 S.; brosch., 39,80 €; ISBN 978-3-631-57610-6
Das nördliche Schwarzmeergebiet wird in dieser Studie als ein postkolonialer Raum begriffen, belastet mit spezifischen Problemen: „Der Zerfall des sowjetischen Vielvölkerstaats legt – rückblickend betrachtet – vor allem den systematischen Mangel an staatlicher Integration offen und verweist auf eine fehlende Nachhaltigkeit von Assimilation und Modernisierung“ (65). Virulent seien ethnopolitische Konflikte. Diese werden untersucht am Beispiel der zu Russland gehörenden Region Krasnodar, von Abchasien, das sich von Georgien für unabhängig erklärt hat, und Transnistrien, einem Landstrich, der völkerrechtlich betrachtet von Staatenlosen bewohnt wird. Die in diesen drei Regionen sichtbaren ethnopolitischen Konflikte und die damit einhergehende separatistische Gewalt werden mit der Frage der postkommunistischen Nationsbildung in Beziehung gesetzt. Die Untersuchung basiert auf Interviews, der Auswertung von Tagungen und empirischer Untersuchungen sowie auf den Darstellungen in Lehr- und Schulbüchern. Nach einer eingehenden Darstellung der Konfliktgeschichten, in denen der Nationalismus auch als Besitzstandswahrungsstrategie zutage tritt, stellt der Autor fest, dass die Regionen den „langen Schatten der Vergangenheit“ (229) unterworfen sind mit der Folge, dass die Identitätsbildung rückwärtsgewandt vollzogen wird. Die aufeinander bezogenen Schlüsselbegriffe sind hierbei Geschichtspolitik, Öffentlichkeit und Konflikteskalation. Als Ergebnis bedrohten ethnischer Nationalismus und bewaffneter Separatismus den Frieden in der nördlichen Schwarzmeerregion. Schorkowitz verweist in seiner abschließenden Betrachtung auf die Verantwortung Russlands, eine ideale Konfliktlösung wäre „die Schließung gewaltoffener Räume, also die Übertragung oder die Rückgabe des Gewaltmonopols an ein stabiles und demokratisches Staatswesen“ (268). Die Voraussetzung aber – die Wahrung der individuellen bürgerlichen Rechte – sei auch in Russland gegenwärtig nicht garantiert.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.62 | 2.2 | 2.23 | 2.63 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Dittmar Schorkowitz: Postkommunismus und verordneter Nationalismus. Frankfurt a. M. u. a.: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29070-postkommunismus-und-verordneter-nationalismus_34329, veröffentlicht am 29.07.2008. Buch-Nr.: 34329 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken