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Erik Albrecht

Putin und sein Präsident. Russland unter Medwedew

Zürich: Orell Füssli Verlag AG 2011; 206 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-280-05427-7
Als Medwedew 2008 zum neuen Präsidenten gewählt wurde, keimte bei einigen außenstehenden Beobachtern und auch Bürgern Russlands die Hoffnung auf, dass Putins Nachfolger aus dem Schatten seines Ziehvaters treten und grundlegende Reformen anstoßen könnte. Die Hoffnung wurde enttäuscht, wie Albrecht in seinem kritisch-rekonstruierenden Buch nachweist. Bereits in Medwedews Antrittsrede spiegelt sich jene Haltung, die seine gesamte Präsidentschaft hindurch fortbestehen sollte: Der Präsident schafft den Spagat zwischen angeblichem Korruptionsbekämpfer und Verfechter liberaler Freiheiten auf der einen, treuem Freund und Weggefährten Putins auf der anderen Seite. Ein gutes Beispiel ist die von Medwedew groß angekündigte, dann aber nur kosmetische Reform der Polizei. Sie zeigt, dass der Präsident dem Innenministerium (das in Russland deckungsgleich mit der Polizeibehörde ist) fast ohnmächtig gegenüberstand und diese Tatsache auch nicht änderte, obgleich er als Präsident die Macht dazu hätte. Daraus leitet Albrecht ab: Nicht Medwedew hat Russland wie von ihm versprochen von Grund auf umstrukturiert, sondern es war Putin selbst, der eine „autoritäre ‚Vertikale der Macht‘ mit ihm an der Spitze“ (31) installiert hat, ohne dabei die Verfassung zu ändern. Für seine Einschätzungen greift der Journalist auf seine eigenen Erfahrungen, das Wissen anderer Korrespondenten, Analysen von Politologen sowie offizielle Bekanntmachungen des Kremls zurück. Zum Zeitpunkt der Drucklegung wusste Albrecht noch nicht, wie die Parlamentswahlen 2011 ausgehen und wer Kandidat der Partei Einiges Russland für die Präsidentschaftswahl 2012 sein wird. Mit Blick auf die im Dezember 2011 einsetzenden Massendemonstrationen in Moskau und anderen Städten können einige von Albrecht zitierte Prognosen auch widerlegt werden: Denn bei einer dritten Amtszeit Putins, so die in Albrechts Buch nachzulesende Aussage von Bürgern der Mittelschicht, würden viele Menschen keine Hoffnung mehr für sich in ihrem Land sehen und säßen daher auf gepackten Koffern – umso hoffnungsvoller, dass die russische Bevölkerung nicht geht, sondern auf der Straße demonstriert.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.62 | 2.22 | 2.24 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Erik Albrecht: Putin und sein Präsident. Zürich: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34362-putin-und-sein-praesident_41253, veröffentlicht am 05.01.2012. Buch-Nr.: 41253 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken