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Peter Becker

Rechenschaftspflichten und kommunale Selbstverwaltung in Kamerun. Westliche Konzepte und Afrikanische Realität

Berlin/Münster: Lit 2014 (Politikwissenschaft 198); 83 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-643-12766-2
In der Geschichte der Entwicklungspolitik gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass westliche Konzepte und Instrumente mit der Lebenswirklichkeit und den Rahmenbedingungen in nichtwestlichen Zielländern kaum kompatibel sind. Werden diese unreflektiert umgesetzt, ist ihr Scheitern programmiert. Peter Becker erläutert am konkreten Beispiel der Rechenschaftspflicht – ein Kernelement im Rahmen von Demokratisierungs‑ und Dezentralisierungsprogrammen – anschaulich, mit welchen Schwierigkeiten eine Umsetzung dieses Prinzips in der weitgehend traditionell geprägten Gesellschaft Kameruns verbunden ist. Zunächst skizziert er die Bedingungen, die für ein funktionierendes Rechenschaftssystem erfüllt sein müssen, und kontrastiert diese dann mit den Gegebenheiten auf der lokalen Ebene in Kamerun. Mit der Verfassungsänderung von 1996 wurden Gemeinden als juristische Personen des öffentlichen Rechts eingerichtet. Allerdings sind sie mit nur äußerst geringen Finanzmitteln ausgestattet und haben auf die Mittelvergabe nur geringen Einfluss. Ihre Möglichkeiten, zur lokalen Entwicklung beizutragen, sind, wie Becker ausführt, insgesamt äußerst gering. Zudem sind die Lokalregierungen „nur gegenüber einer schwer durchschaubaren Struktur von Komitees auf der Ebene der Departments und Regionen verantwortlich“ (54), nicht aber gegenüber der lokalen Bürgerschaft. Ein solches westlich geprägtes Verständnis von Rechenschaft und Kontrolle ist in der Gesellschaft Kameruns aber auch gar nicht ausgeprägt, staatlichen Stellen wird eher mit Misstrauen begegnet, von ihnen wird nichts erwartet. Vorherrschend sind traditionelle Modelle der Selbstorganisation entlang von Familie, Klan und Gemeinschaften, „die ohne Staat auskommen“ (35). Nicht sachliches Interesse und Orientierung am Gemeinwohl sind in der Zivilgesellschaft Kameruns handlungsleitend, sondern „die familiären Beziehungen und ‚kinships’, die zu einer Bevorzugung der eigenen Gruppenmitglieder zwingen“. Zwischen den lokalen Akteuren besteht somit ein enges persönliches, von gegenseitigen Verpflichtungen geprägtes Beziehungsgeflecht. Daher sieht der Autor die heute verbreitete Korruption vorwiegend als „Folge des Übergangs von einer traditionellen zur modernen Gesellschaft und der damit einhergehenden Einführung bisher ungekannter staatlicher Institutionen“ (33). Statt also der Gesellschaft Kameruns westliche Modelle und Vorstellungen „überzustülpen“, so Becker, „empfiehlt es sich dringend, die vorhandenen gesellschaftlichen Institutionen weiterzuentwickeln“ (67).
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Rubrizierung: 2.672.212.24.44 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Peter Becker: Rechenschaftspflichten und kommunale Selbstverwaltung in Kamerun. Berlin/Münster: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38250-rechenschaftspflichten-und-kommunale-selbstverwaltung-in-kamerun_46575, veröffentlicht am 02.04.2015. Buch-Nr.: 46575 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken