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Lukas Boehnke / Malte Thran / Jacob Wunderwald (Hrsg.): Rechtspopulismus im Fokus. Theoretische und praktische Herausforderungen für die politische Bildung

01.07.2019
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Autorenprofil
Dr. Arno Mohr
Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften 2019

Rechtspopulismen sind reale Phänomene der sozialwissenschaftlichen Analyse, sowohl in theoretischer wie auch in empirischer Hinsicht. Sie wollen erkannt werden – ihren Formen nach, ihren historisch-ideologischen Rechtfertigungen nach, ihren Zielsetzungen und ihren Praktiken nach. Gleich, wie man sich ihnen gegenüber verhält – in demokratischen Systemen in der Regel e contrario: Sie existieren und handeln in einem ‚offenen‘ Raum, der ihnen das zur Verfügung stellt, was sie im Grunde und in ihrem Sinne nach außer Kraft setzen, was sie bekämpfen wollen. Vor allem geben sie im Namen der Demokratie vor, wie sie ihn definieren. Wer aber eben im Namen der Demokratie unter den Auspizien ganz anderer antinomischer Wertvorstellungen zu Werke geht, bewegt sich nolens volens auf dünnem Eis.

In diesem Zusammenhang hat Stephan Lessenich eine tiefe Wahrheit ausgesprochen, aus der die richtigen Konsequenzen gezogen werden müssten: Es sei unrealistisch anzunehmen, dass die rechtspopulistische Praxis mit dem „besseren Argument“ so in Mitleidenschaft gezogen, ja vielleicht ausgehebelt werden könne, dass sie an Bedeutung und Bedrohung verlieren und qua Rationalitätskriterien, die das Normen-, Institutionen- und Verfahrensgerüst das etablierte System stabilisiert hat, absorbiert würden. Dankenswerterweise haben Lukas Boehnke und Malte Thran sich dieses statements erinnert und in ihrem einleitenden Beitrag zitiert (10). Überhaupt ist in diesem sehr klug konzipierten Aufsatz mit dem Vorurteil gebrochen worden, die normativen Regularien beziehungsweise Dispositionen eines demokratischen Gemeinwesens zum ultimativen Maßstab in der Bewertung rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien zu machen. Vor der Beurteilung steht immer noch die Analyse, unter anderem konkretisiert in „unparteiische[n], trennscharfe[n] und präzise[n] Begriffen“ (11). Sie sind Garant dafür, ‚zu wissen, was die Anderen vorhaben‘. Die Eigenlogik des Rechtspopulismus lässt sich nur dann begreiflich machen, wenn man nicht einem kopflosen ‚Moralizismus‘ verfällt, der nur vernünftiges Nachdenken blockiert. Mit moralischem Nihilismus hat das freilich nichts zu tun. Es bedarf vielmehr einer sorgfältigen Analyse. Sie wird, in Bezug auf den Begriff ‚Rechtspopulismus‘, anhand von Cas Muddes Bestimmung als Ausgangsbasis durchgeführt: die Ideologie des Populismus als Dichotomie „gutes Volk“ versus „korrupte Eliten“ (13-15), Homogenität als „Antipluralismus“; symbolische Repräsentation versus empirischer Wille des Volkes (16-18), Nativismus und Autoritarismus (19-23). Hier kann nicht näher auf diese Begriffskonstruktion eingegangen werden, nur so viel sei gesagt: Die beiden Autoren sind nicht der Meinung, die Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus durchgängig als Antinomie von „rational“ und „irrational“, moralisch integer und „moralisch mangelhaftes Phänomen“ zu führen. Nicht moralisierende Überhebung (die ‚guten' Demokraten) ist die Parole, sondern Deutung der Fakten, die die Rechtspopulisten generieren, und diese auf logische Widersprüche hin zu prüfen und zurückzuweisen (24).

Was sind Voraussetzungen für das Aufkommen von Rechtspopulismen? In der Zeit der europäischen Aufklärung sprachen die Philosophen vom „Priestertrug“, wenn es um den Einfluss der Religion in Gestalt ihrer Theologen und Priester auf das Verhalten unkundiger weiter Bevölkerungskreise ging und aufklärerische Positionen und Einsichten fundamentalistisch als Teufelszeug in Acht und Bann getan wurden. Alles nur Betrüger, die der einfältigen Bevölkerung etwas vorgaukeln. So ähnlich muss man sich heute die demokratische Kritik am Rechtspopulismus vorstellen: Hier seien „Rattenfänger“ am Werk, Ängste würden geschürt, die soziale Unzufriedenheit der Bürger gegenüber den „Fremden“, denen Anspruch auf Sozialleistungen eingeräumt wird, ausgespielt, „einfache Lösungen“, die in den Programmen der Rechtspopulisten zu finden seien, würden alle Übel beseitigen, die Rechtspopulisten würden die Unzufriedenheit der Bürger mit der Elite, die doch nur korrumpiert sei, zu ihrem Vorteil auszunutzen wissen.

Jack Weber ist der Ansicht, dass man mit solchen ‚Scheinerklärungen‘ den Rechtspopulismen den eigentlich politischen Charakter absprechen würde: Es sei einfach nicht wahr, dass es ihre schlechte soziale Lage sei, die die Bürger dazu brächten, rechts zu wählen oder für rechte Lösungen begeistern zu lassen. Vielmehr interpretierten sie ihre Lage nationalistisch. Oder: „‚Verführung‘ zum Nationalismus geht nicht ohne Einsicht in die Argumente des Verführers.“ (49)

Eine sehr einleuchtende These vertritt Ina Schildbach, wenn sie über das Verhältnis von Armut und Erstarken von Rechtspopulismus spricht (73-88). Sie übt Kritik an der Einstellung der Politik, die Aufgabe der Zurückdrängung der „Rechten“ lediglich als eine „staatsfunktionale“ Notwendigkeit zu betrachten. Nur sie erscheint als Garant dafür, den Zusammenhalt der Gesellschaft aufrechtzuerhalten (76). Politik und politische Bildung müssten vielmehr den staatsfunktionalen Blick auf die Armen aufgeben und sie nicht als Objekte eines staatlichen Verwaltungshandelns, das nur soziale Disparitäten festschreibt, statt sie aufzulösen, herabzudrücken („Wieviel steht uns zu?“, 84). ‚Angst‘ spielt eine große Rolle im Rahmen der Hinwendung zu rechtspopulistischen Ideologien, Parolen und strategisch-taktischen Vorgehensweisen. Dieses Faktum – in historischen Räumen vielfach bestätigt – weist auf die affektiv-emotionale Seite des menschlichen Soseins in der Beurteilung gesellschaftlich-politischer Vorgänge hin.

Lasse von Bargen hat diesen Zusammenhang herausgearbeitet und dies mit dem Begriff „rechtspopulistische Affektpolitik“ belegt (181-185). Die Analyse muss aufzeigen, wie sich diese Politik praktisch äußert, „wie Rechtspopulismus als Kommunikation funktioniert, welche Stellung das rechtspopulistische heartland einnimmt und welche Rolle der Angsteffekt dabei spielt“ (181). Es ist das Spielen mit der Angst und, darauf aufbauend, die manipulative Flankierung durch ein rechtspopulistisches „Narrativ“, in dem das ‚Faktum‘ einer gefährdeten Gemeinschaft im Zentrum steht und die Vorstellung ad infinitum perpetuiert wird (190).

Der Soziologe Olaf Jann hat die These aufgestellt (2017), der Populismus sei „der Politikstil der Epoche“. Ganz im Sinne einer antihegemonialen Politik, wie sie etwa in den sozialen Bewegungen seit den 1980er-Jahren das politische Establishment durchrüttelten, lehnt er es ab, populistische Bewegungen als pathologische Deformationen des demokratischen Gemeinwesens abzukanzeln. Im Gegenteil: Sie seien „inhärenter Bestandteil politischer Praxis“. Jann sehe in populistischen Bewegungen „demokratisierende Momente der Selbstermächtigung“ der Bürger, interpretieren Josef Kraft und Sofia Shoui in ihrem Beitrag (157 f.). In Auseinandersetzung mit der liberalen Kritik an ‚rechts‘ und ‚links‘, die im Grunde in einer undifferenziert diagnostizierten Symmetrie beider Extreme zentriert, heften sie sich an die Rockschöße einer Definition von Reinhart Opitz: Linksgerichtete Bewegungen hätten zu einer gesteigerten Demokratisierung des gesellschaftlich-politischen Systems im Vergleich zu den vorliegenden Verhältnissen beigetragen. Rechtsgerichtete Bewegungen hätten ihre Aufgabe darin gesehen, den von der Linken gesteigerten Realisationsgrad von Demokratisierung wieder zu kassieren (158). Beide Autoren geben zu bedenken, dass zum Beispiel die AfD den Bedrückungen der ‚kleinen Leute‘ als dem ‚wahren‘ Volke in geschickter Ausnutzung manipulierter Kommunikationsniveaus nach dem Munde redeten, sich aber in ihrer Programmatik für eine Deckelung von Steuererhöhungen ausspreche, die nur den Vermögenden zugutekomme. In der Schulpolitik beabsichtige sie, das dreigliedrige Schulsystem zu zementieren, obwohl gerade dieses dazu beitrage, die Zukunftschancen der Schüler einzuschränken. Die AfD zetere gegen ‚linke‘ Indoktrination an den Schulen, spreche sich aber für einen größeren Einfluss der Wirtschaft auf den Unterricht aus (169).

In Ablehnung von Thesen von Chantal Mouffe, die die ökonomische Seite des Liberalismus links liegen lasse, bedienen sich die Verfasser der Theorie der ‚sozialen Demokratie‘ von Wolfgang Abendroth als Zielvorstellung, den Rechtspopulismus in die Schranken zu weisen. Dessen Credo war: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit sind zwei Paar Stiefel, Letztere muss in eine in die Gesellschaft hineinreichende Demokratisierungspolitik ihren zentralen Fixpunkt erhalten. Die bereits in den 1950er-Jahren aufgestellten Prinzipien sind nach wie vor aktuell. Schließlich sei die Akzeptanz der AfD bei einer keineswegs unerheblichen Zahl von Beherrschten in gewisser Weise auf Verweigerungsverhalten der etablierten Parteienlandschaft zurückzuführen, deren Insistieren auf einer von ihr zu verantwortenden ‚wahren‘ Demokratie die von ihr geöffnete Büchse der Pandora nur mit gutgemeinten Beschwörungsformeln parieren kann. So sei die einzige Möglichkeit, den Rechtspopulismus auf der Ebene zu bekämpfen, wo dieser sich dünkt, die Interessen des ‚Volkes‘ zu vertreten: in der Demokratisierung der Gesellschaft: „Nur eine wahrlich demokratische Gesellschaft kann es vermögen, den Aufstieg von rechten Parteien und Gedankengut zu stoppen.“ (171 f., 172). Diese Forderungen bewegen sich ganz außerhalb einer politischen Bildung und haben darüber hinaus nur mittel- bis langfristige Realisierungschancen. Eine solche Politik setzt freilich die Stabilisierung beziehungsweise die Stabilität einer demokratisch-kritischen politischen Bildung voraus, die hinsichtlich der Initiierung jener Forderungen zu assistieren vermag. Es fehlt der Aspekt der Verzahnung.

Ein Makel bleibt aber, aufs Ganze gesehen, der sich nicht so ohne weiteres zum Verschwinden bringen lässt. Es entspricht dem Anliegen des Buches, die dort ausgebreiteten Analysen und die daraus gezogenen Lehren über den Rechtspopulismus für die Politische Bildung nachhaltig nutzbar zu machen. Jedoch haben es sich die Verfasser relativ einfach gemacht, indem sie sich damit begnügt haben, den Zielort Politische Bildung nur im Modus des Appellierens zu anvisieren, ohne die Mittel zu konkretisieren, wie diesem Erfordernis einer demokratiepolitischen Bildung entsprochen werden könne. Die gemachten Vorschläge sind dürftig, um nicht zu sagen: Sie nehmen sich aus wie didaktische Fürbitten, um bei Adressaten wie Rezipienten der Politischen Bildung erhört zu werden, so diese sich daraufhin anschicken, sich gegen antidemokratische Rechtsfundamentalismen zu wappnen und diesen auf dem Boden demokratischer Vorstellungen Paroli zu bieten. Das lässt sich auch in die Frage kleiden: Was hat Politische Bildung zu tun (oder zu unterlassen), dass Schüler und Erwachsene gegen antidemokratische Tendenzen nicht nur bestehen, sondern diese in ihren Prinzipien diskreditieren und sie so vom Wahlvolk entkoppeln zu können?

Auch dort, wo der Anschein erweckt wird, die Verfasser kämen der Realität bedeutend näher, wenn sie auf Paradoxien beziehungsweise Aporien der Politischen Bildung stoßen und diese thematisieren, bleibt man im Unkonkreten. In den Beiträgen von Lasse von Bargen über „Die Ängste der Leute ernst nehmen? Das rechtspopulistische heartland und dessen affektive Wirkmacht als Problem für die politische Bildung“ (179-198) sowie von Nico Wangler über „Die Aporie der politischen Bildung in Bezug auf Populismus und Extremismusprävention“ (199-213) rekurrieren die Autoren auf das „Grundgesetz“ der Politischen Bildung in Deutschland, den „Beutelsbacher Konsens“ mit seinen drei Säulen: Überwältigungsverbot der Schüler mit manipulativ eingesetzten Urteilen durch die Lehrkräfte; das Kontroversitätsgebot (nichts darf unterschlagen werden, was auch auf der Ebene der Wissenschaft kontrovers diskutiert wird) und das Gebot des schülerzentrierten Lernens (unter Beachtung der Interessen der Schüler).

Lasse von Bargen gibt zu bedenken, dass gemäß dem Überwältigungsverbot ein Ausschluss rechtspopulistischer und -extremistischer Positionen im Unterricht nicht akzeptabel sei. Auch auf die Gefahr hin, dass ihre Vertreter möglicherweise in der Lage sind, „den Debattenraum zu dominieren“ (188) beziehungsweise auf der Wahrheitsfähigkeit ihrer Ansichten insistieren zu können. Nico Wangler spricht in seinem Aufsatz auf derselben Linie von der „Aporie“ politischer Bildung, wenn die Praktiker der politischen Bildung den Geist von „Beutelsbach“ in der Weise außer Kraft setzten, indem sie parteiisch nur eine Option, die demokratische, als Leitbild der politischen Bildung zuließen und somit die freie Meinungsbildung unterminierten (206). Diesen Einsichten ist zuzustimmen. Aber was dann als Gegenmaßnahmen präferiert wird, bleibt bedauerlicherweise wieder im rhetorischen Gehäuse des Ungefähren.

Diese Sprache hat aber nicht nur appellativen Charakter, sondern sie hat auch mitunter eine apodiktische Schlagseite. Das rührt an das Problem, die geeigneten Mittel zu finden – die Grundproblematik pädagogischer Arbeit überhaupt. Was den Aspekt ‚Reflexion‘ anbelangt, spricht Lara Möller vom „Selbstreflexivem Ich“ (226) als einem wichtigen didaktischen Konzept, das sich auf die Herauskristallisierung von „Denk-, Verhaltens- und Handlungsressourcen“ konzentrieren soll. Das befähige das „lernende Subjekt“, das sich verändernde Umfeld begreifen beziehungsweise in ihr auch gestalten zu können. Dann folgt die conclusio: „Durch diesen Prozess wird die Abhängigkeit von Sozialisationsprozessen und kollektiv vorgegebenen Normen und Werten […] vom Subjekt entsprechend erkannt.“ Es stellt sich die Frage, ob sich dieser beschriebene Mechanismus gewissermaßen von selbst in Gang setzt und zu den anvisierten Lösungen führt, die die Theorie präjudiziert. Das erscheint mir ein Grunddilemma einer kritischen Politikdidaktik zu sein, in der ein reflexives Bürgerbewusstsein sowie das Instrument der Inclusive Citizenship Education Gewähr dafür bieten soll, die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus und „rechtem Denken“ nicht nur aufzunehmen, sondern auch zu bestehen (so zum Beispiel im Beitrag von Lara Möller, 223-226).

Dieser Zusammenhang verhält sich wie jene berühmte Formel von Adam Smith von der „invisible hand“, die die ökonomischen Gegensätze und Beziehungen ‚unsichtbar‘ ins Gleichgewicht bringt. Es ist unangebracht, in Fragen der politischen Bildung den Mythos zu bemühen. Aber der gleichsam hyperemphatische Gebrauch von ‚Reflexion‘ oder ‚Selbstreflexion‘ weist auf die Strahlkraft eines Mythos hin, dessen Verehrung eine wirklich erforderliche Aufklärung eher verdunkelt.

„Der Handelnde ist immer gewissenlos; es hat niemand Gewissen als der Betrachtende.“ Dieser lehrreiche Aphorismus aus den Maximen und Reflexionen besitzt das Potenzial, dem Verhältnis von Verfasser als dem Urheber eines Textes und seinem Rezensenten als seinem Kritiker seinen Stempel aufzudrücken. Der Gestalt des Anteilnehmenden beziehungsweise des neutralen Beobachters einer intellektuellen ‚Handlung' stehen im Prinzip alle Möglichkeiten der Textkritik offen: vom schmeichlerischen Urteil über viele Stufen hinweg bis zum totalen Verriss findet sich im wissenschaftlichen Betrieb alles. Das mag man als in der Natur einer Rezension liegend als ‚Normalität‘ ansehen. Aber jenseits aller Kriterien und Maßstäbe einer Rezension gibt es noch einen Punkt, der oftmals leider Gottes nicht gesehen wird. Gewiss, es gibt gute und schlechte Bücher, Aufsätze etc.

Alle Autoren nehmen für sich in Anspruch, die Normen und Regulativen ihrer Wissenschaft befolgt zu haben. Doch gerade das Sachgebiet der Politischen Bildung muss mit der unbestreitbaren Tatsache auskommen, dass sich die politischen und sozialen Problemlagen mit einer bislang unvorstellbaren Rapidität und Plötzlichkeit wandeln und mehr noch vervielfältigen und im Zuge davon vertraute Gewissheiten ad absurdum führen, dass als Ergebnis nur festgestellt werden kann: die Politische Bildung scheint auf verlorenem Posten zu stehen; den Kampf gegen die Windmühlen scheint sie kaum bestehen zu können. So, wie sich die ‚Herausforderungen‘ steigern, so bestimmen sich auch die Anforderungen aus Politik und Gesellschaft an sie, diesen Entwicklungen nicht nur einen wissenschaftlichen Erkenntniszuwachs abzuringen, sondern diesen im Maße ihrer Aufgabenstellung in sinnvolle pädagogische Konzepte und Methoden Konzepte zu transformieren. Dieses Ziel zu erreichen oder ihm recht nahe zu kommen, ist in einer offenen demokratischen Gesellschaft umso schwieriger und mit vielen Unwägbarkeiten behaftet, je stärker und maßloser sich Tendenzen breitmachen und entsprechende Organisationsformen auftreten, die die Möglichkeiten einer offenen Gesellschaft für ihre Ziele auf ganz legalem Wege ummünzt. Dazu gehört selbstverständlich auch das Phänomen des Rechtspopulismus. Es ist dann nicht fair, der Politischen Bildung insgesamt vorzuwerfen, sie habe dieses oder jenes verschlafen, und man müsse sie förmlich dazu bringen beziehungsweise geradezu mit administrativem Nachdruck anhalten, diese pädagogischen Leerstellen umgehend zu füllen. Eingedenk der komplexen externen Umgebungsstrukturen und -zwänge ist dies, realistisch betrachtet, unmöglich. So sollte sich für die kritische Prüfung ihrer Analysen und daraus gefolgerten Vorschlägen für die Praxis ergeben, den kritisierten Einzelfall in diesem Kontext zu sehen.

Das hat nichts mit Fatalismus, auch nichts mit einem naiven Alltags-Relativismus zu tun, bei dem eine gut begründete Aussage im selben Atemzuge halbiert werde. Nein: Es hat viel mit einem Relativismus, der in der Wissenschaftstheorie als kognitiver Relativismus charakterisiert ist: Es gibt nichts, was voraussetzungslos ist. Es sind immer Vorgaben vorhanden, die als Paradigmen oder Weltbilder theoretischen Begründungen beziehungsweise empirischen Bestätigungen vorausgehen. Dem korrespondiert ein soziologischer Relativismus, der sich nicht mit der Beachtung wissenschaftsinterner Regularien begnügt, sondern von relevanten Faktoren extra muros ausgeht. Unter diesen Gesichtspunkten sollte der hilfreiche Sammelband bewertet werden, weil er Einsichten vermittelt, die zu reflektieren jedem politischen Bildner in Wissenschaft und Praxis gut anstehen.

 

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