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Martina Bauer: Rechtspopulistische Parteien: Wettbewerbsvorteil durch mediale Kompatibilität? Eine Fallanalyse am Beispiel der Alternative für Deutschland

13.11.2019
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Autorenprofil
Oliver Kannenberg, M.A.
Hamburg, Verlag Dr. Kovac 2019
(POLITICA – Schriftenreihe zur politischen Wissenschaft 113)

Im Nachgang der Bundestagswahl 2017 waren die Anschuldigungen gegenüber den Medienvertretern groß. Das gute Wahlergebnis der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) wurde von Seiten einiger Politiker, nicht zuletzt mit der vermeintlich hohen medialen Beachtung für Personen und Themen der Rechtspopulisten begründet. Ähnlich hat es Martina Bauer beobachtet, die sich diese Debatte im Herbst des Jahres 2017 zum Anlass nahm, in ihrer Masterarbeit eine fallbezogene Untersuchung des Zusammenspiels von „medialer Logik“ und „populistischer Logik“ vorzunehmen.

Der strenge formale Charakter, den eine Abschlussarbeit in sich trägt, ist im Zuge der Veröffentlichung beibehalten worden. Die Gliederung folgt dem „klassischen“ Muster: Einleitung, Forschungslücke, Theorie, Fallbeispiele, Fazit. Auf die gelungene Einleitung folgt eine knappe Darstellung der bisherigen Forschung zum Zusammenspiel von populistischer und medialer Logik. Das bestehende Desiderat der Forschung wird dabei zutreffend erkannt und weckt Lust auf mehr. In dem Theorieteil versucht Bauer eingehend die begriffliche Klärung dessen, was gemeinhin als Populismus bezeichnet wird. Unter Rückgriff auf die etablierten Untersuchungen der Populismusforschung gelingt es ihr durchaus, den vielschichtigen und wechselhaften Begriff für ihr Anliegen nutzbar zu machen, indem sie sich nicht zu sehr in Detailfragen verliert. Ihr Hauptaugenmerk ist schließlich auf den Kommunikationsstil von Rechtspopulisten gerichtet.

Das „kommunikatorische Profil rechtspopulistischer Parteien“ (32) setzt sich laut Bauer aus den folgenden Stilmitteln zusammen: Radikale Lösungen, Arbeit mit Feindbildern, Common-Sense-Argumente, Moralisierung, Bildhaftigkeit, Dramatisierung, Schüren von Ängsten und Ressentiments, Tabu-Brüche, kalkulierte Ambivalenz sowie Inszenierung von Nähe. Diese elf Kategorien bündelt Bauer wiederum zu fünf primären Stilmitteln populistischer Akteure: Vereinfachung, Emotionalisierung, Negativismus, Personalisierung und Provokation. Die Überführung der Unterkategorien in besagte Stilmittel geschieht leider wenig überzeugend, da die Autorin ihre zugrundliegenden Überlegungen nur in (zu) knapper Form darlegt. Zudem lassen einige Ausführungen Raum für inhaltliche Kritik. Es erscheint beispielsweise sehr fraglich, ob Personalisierung und Emotionalisierung wirklich nur populistischen Parteien zugeschrieben werden können. Vielmehr sind diese beiden Stilmittel seit geraumer Zeit Bestandteil des Standardrepertoires zur Vermittlung politischer Inhalte. Die besonderen Bedingungen politischer Kommunikation in Wahlkämpfen werden ebenfalls nicht thematisiert.

Analog zum Vorgehen bei der populistischen Logik werden bei der medialen Logik Schaden, Aggression, Prominenz, Kontroverse, Personalisierung, Emotionen, Vereinfachung, Etablierung und Reichweite als klassische Nachrichtenfaktoren herausgestellt. Die theoretischen Überlegungen auf der Nachrichtenwerttheorie fußen zu lassen, erscheint zunächst angemessen, jedoch bleiben die gravierenden Umwälzungen in der Presselandschaft der vergangenen Jahre bei dem theoretischen Gerüst gänzlich unbeachtet.

Ob nun für den deutschen Fall „AfD“ tatsächlich von einem Wettbewerbsvorteil gesprochen werden kann, wird anhand von vier Aussagen exemplarisch geprüft. Neben den geschichtsrelativierenden Äußerungen Alexander Gaulands („Vogelschiss“) und Björn Höckes („Denkmal der Schande“) werden auch Frauke Petrys Forderung nach dem Schusswaffengebrauch an der deutschen Grenze sowie ein weiteres Mal eine Äußerung des thüringischen Landesvorsitzenden Höcke („Ausbreitungs- und Platzhaltertypen“) berücksichtigt. Die vier Aussagen werden kurz vorgestellt und in ihren jeweiligen Kontext eingeordnet, bevor eine detaillierte Analyse der darin zu findenden Stilmittel folgt. Grundsätzlich ist die Überlegung, anhand von Fallbeispielen die Schnittmenge der beiden Systeme zu untersuchen, durchaus zu begrüßen. Die Fallauswahl und die Form der Bearbeitung können jedoch nur bedingt überzeugen. Unter Berücksichtigung des begrenzten Umfangs einer Abschlussarbeit wäre es für eine spätere Veröffentlichung angemessen gewesen, die Fallauswahl etwa auf Nicht-Spitzenpolitiker zu erweitern und zudem auch Beispiele aus Parlamentsdebatten vorzubringen.

Allgemein hat der begrenzte Umfang des Buches zur Folge, dass zahlreiche relevante Fragestellungen nicht oder nur sehr verkürzt behandelt werden. So müsste genauer darauf eingegangen werden, inwiefern die Verbreitung online-basierter Medienformate einen Einfluss auf die jüngste Stärke der Rechtspopulisten hat.

Abschließend kommt Bauer zu dem Fazit, dass im deutschen Fall die rechtspopulistische AfD aufgrund des Kommunikationsstils sehr wohl einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren politischen Gegnern habe. Diese „bewusste Nutzbarmachung des medialen Selektionsprozesses“ (102) habe in nicht eindeutig bestimmbaren Umfang zum Erfolg der AfD beigetragen. Diesem Fazit folgend müsste dies auch weiterhin gelten, wie etwa die jüngsten Wahlerfolge in Sachsen, Brandenburg und Thüringen zeigen.

Zusammenfassend stellt die Veröffentlichung einen ambitionierten Versuch dar, eine gegenwärtige Fragestellung von besonderer Relevanz zu beantworten. In Teilen gelingt es der Autorin, die Zusammenhänge von populistischer Rhetorik und medialer Aufmerksamkeit angemessen darzustellen. Kritik ist jedoch vor allem an der einen oder anderen Pauschalisierung und Vereinfachung im grundlegenden Theorieteil sowie der begrenzten Fallauswahl zu üben. Dies wirkt sich dann leider zwangsläufig auch negativ auf die darauffolgende Analyse aus und macht das Buch nur mit Einschränkungen empfehlenswert.

 

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