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Peter Lintl / Christian Thuselt / Christian Wolff (Hrsg.)

Religiöse Bewegungen als politische Akteure im Nahen Osten

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2016 (Nahoststudien. Middle Eastern Studies 2); 376 S.; brosch., 69,- €; ISBN 978-3-8487-1472-8
Der Nahe Osten fasziniert und beschäftigt, keine Frage. Aber die Zeiten haben sich seit Lessings „Nathan der Weise“ (1779) geändert. Fast möchte man meinen, dass Voltaires Sicht auf den Islam – er spricht 1752 von Raserey – eine gewisse Bestätigung erlebt, denkt man etwa an den sogenannten Islamischen Staat. Eine aktive Auseinandersetzung – vergleichbar mit derjenigen, die unter dem Eindruck der Aufklärung und der Koranübersetzung durch George Sale (1734) einsetzte – fehlt aber. Von daher haben sich die Herausgeber viel vorgenommen. Dass Religion und Politik in einem besonderen Spannungsverhältnis stehen, liest man gerade im Leibniz‑Jahr gerne. Nur schickt sich der politische Islam an, das Nationalstaat‑Modell in seinen Grundsätzen zu hinterfragen, eben weil seine Repräsentanten die damit verbundene weltliche Ordnung samt von Menschenhand gemachter Gewaltenteilung ablehnen. Die Herausgeber weisen diese Interpretation als einseitige Verengung zurück und wollen stattdessen die Akteure im Nahen Osten dechiffrieren, die sich in ihren politischen Programmen bewusst religiöser Symboliken bedienen und daraus einen Herrschafts‑ beziehungsweise Machtanspruch herleiten. Dementsprechend groß ist die Bandbreite, die hier abgedeckt wird. Sie reicht von einem Beitrag Christoph Schumanns über die Lehren aus dem Arabischen Frühling (interessant: der Verweis auf den gescheiterten säkularen Nationalismus) über das Mobilisierungspotenzial religiös‑fanatischer Gruppierungen (dazu Barbara Zollner über die Muslimbruderschaft in Ägypten) bis zu Überlegungen zum Subjekt im Islam vor dem Hintergrund der Veränderungen in der Türkei (Meltem Kula çatan). Beiträge zum Märtyrerkult (zum Beispiel Sabrina Bonsen) und zur nationalreligiösen Gush Emunim (dazu Oliver Glatz) zeigen zudem die Sprengkraft, die die Vermischung von Politik und Religion birgt. Die Beiträge basieren auf einer Konferenz von 2010. Leider fehlt nicht nur ein Autoren‑ oder ein Stichwortverzeichnis, sondern auch eine Zusammenfassung. Der frühe Tod von Christoph Schumann (2013) hat dies wohl verhindert.
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Rubrizierung: 2.632.222.232.25 Empfohlene Zitierweise: Martin Schwarz, Rezension zu: Peter Lintl / Christian Thuselt / Christian Wolff (Hrsg.): Religiöse Bewegungen als politische Akteure im Nahen Osten Baden-Baden: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40138-religioese-bewegungen-als-politische-akteure-im-nahen-osten_48422, veröffentlicht am 03.11.2016. Buch-Nr.: 48422 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken