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Jean-Paul Cahn / Hartmut Kaelble (Hrsg.)

Religion und Laizität in Frankreich und Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert/Religions et laïcité en France et en Allemagne aux 19e et 20e siècles

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008 (Schriftenreihe des Deutsch-Franzosischen Historikerkomitees 5); 197 S.; kart., 40,- €; ISBN 978-3-515-09276-0
Es scheint, als würden Deutschland und Frankreich hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Staat und Religion Welten trennen. Doch zwischen dem säkularen Deutschland und dem Land, in dem Ferdinand Buisson nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 den Begriff „laïcité” prägte, gibt es auch in dieser Frage Ähnlichkeiten, die auf den ersten Blick vielleicht nicht gleich ins Auge stechen. Und dies gilt nicht erst seit der Zeit der deutsch-französischen Verständigung, seit der die Gemeinsamkeiten beider Völker besonders betont werden, sondern es gab sie bereits im 19. Jahrhundert. Wenngleich die strikte Trennung von Staat und Religion in Frankreich erst seit 1905 gesetzlich geregelt ist, hat es bereits im Vorfeld eine Reihe von Maßnahmen gegeben, denen Deutschland Beachtung zollte, befand sich das protestantisch geprägte Reich nach 1871 doch in einem Kulturkampf gegen den katholischen Teil der Bevölkerung, in dem es auch darum ging, den Zugriff des Staates auf das Individuum zu erkämpfen. Vom Sieg der Republik über den Klerikalismus schrieb daher die Frankfurter Zeitung im Jahre 1882, als in Frankreich ein Gesetz verabschiedet wurde, das die Schulen vom religiösen Unterricht trennte. Die Debatte über dieses Gesetz in der deutschen Presse ist das Thema eines der 13 Beiträge des Sammelbandes, dessen Autoren sich im Weiteren unter anderem mit dem Kampf für den Laizismus in einem Dorf im Burgund, mit dem religiösen Leben der jüdischen Gemeinden in Lothringen und in der preußischen Rheinprovinz, der Politisierung der Religion im Gefolge der 68er-Bewegung oder auch mit dem sehr aktuellen Thema des Umgangs mit muslimischen Minderheiten dies- und jenseits des Rheins beschäftigen. Insgesamt vermag der Band interessante und auch weniger bekannte Details im Verhältnis zwischen Staat und Religion und zwischen Deutschland und Frankreich zutage zu fördern. Da von 13 Beiträgen jedoch neun auf Französisch verfasst sind, wird sich die Anschaffung für den der französischen Sprache nicht mächtigen historisch-politisch Interessierten kaum lohnen.
Michael Vollmer (MV)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, TU Chemnitz.
Rubrizierung: 2.232.612.3112.3132.3142.35 Empfohlene Zitierweise: Michael Vollmer, Rezension zu: Jean-Paul Cahn / Hartmut Kaelble (Hrsg.): Religion und Laizität in Frankreich und Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert/Religions et laïcité en France et en Allemagne aux 19e et 20e siècles Stuttgart: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31040-religion-und-laizitaet-in-frankreich-und-deutschland-im-19-und-20-jahrhundertreligions-et-lacit-en-france-et-en-allemagne-aux-19e-et-20e-sicles_36899, veröffentlicht am 15.09.2009. Buch-Nr.: 36899 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken