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Eduardo Mendieta / Jonathan VanAntwerpen (Hrsg.)

Religion und Öffentlichkeit

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2012 (edition suhrkamp 2641); 195 S.; 15,- €; ISBN 978-3-518-12641-7
Im Oktober 2009 diskutierten Judith Butler, Charles Taylor, Jürgen Habermas, Cornel West sowie Craig Calhoun in New York über das Verhältnis von Religion und Öffentlichkeit. Ihre Beiträge atmen den Geist des sogenannten postsäkularen Zeitalters, in dem nicht nur evangelikale Christen oder für einen Gottesstaat streitende Muslime von der Beobachtung künden, dass die Religion in den modernen Gesellschaften nicht abgestorben ist. Die Philosophin und die Philosophen stimmen darin überein, dass der säkulare Staat von der mit religiösen Motiven und Sinnquellen durchzogenen Gesellschaft im demokratischen Diskurs moralisch legitimiert werden muss. Er selbst müsse neutral bleiben, d. h. kein religiöses oder nicht-religiöses Bekenntnis bevorzugen. Im postmetaphysischen Zeitalter des öffentlichen Vernunftdiskurses lässt Habermas auch religiös begründete Werte einer Ethik der multikulturellen Staatsbürgerschaft gelten, betont jedoch, dass die religiöse Semantik in eine säkulare, allen verständliche Sprache übersetzt werden müsse. Taylor entgegnet, dass die Religion neben vielen anderen Traditionen im „Mythos der aufgeklärten Gesellschaft“ (79) verankert sei. Um den säkularen Ideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zur Durchsetzung zu verhelfen, müssten verschiedene Lektüren und kulturelle Konzepte ausbalanciert beziehungsweise übersetzt werden. Erkenntnistheoretisch müsse nicht zwischen einem religiösen oder nicht-religiösen Diskurs unterschieden werden. Während West dafür plädiert, die prophetische Dimension der Religion und die daraus wachsende kritische Bewertung der bestehenden Öffentlichkeit zuzulassen, fragt Butler: Gibt es eine gemeinsame Quelle für religiös beziehungsweise nicht-religiös motivierte Ethik, mit der Legitimation, den Staat zu kritisieren? Mit dem von Hannah Arendt und im jüdischen Exil entwickelten Begriff der Cohabitation (des Zusammenlebens oder -wohnens aller Menschen) versucht Butler, eine Antwort zu finden. Praktischer Kern ihrer philosophischen Diskussion ist der Aufruf zur Toleranz – ein wichtiges Signal in so schwer verstehbaren, religiös motivierten gesellschaftlichen Kämpfen.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.42 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Eduardo Mendieta / Jonathan VanAntwerpen (Hrsg.): Religion und Öffentlichkeit Frankfurt a. M.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34678-religion-und-oeffentlichkeit_41679, veröffentlicht am 13.12.2012. Buch-Nr.: 41679 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken