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Antonius Liedhegener / Ines-Jacqueline Werkner (Hrsg.)

Religion zwischen Zivilgesellschaft und politischem System. Befunde – Positionen – Perspektiven

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011 (Politik und Religion); 262 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-531-17827-1
Kirchen und Religionsgemeinschaften leisten einen entscheidenden Beitrag zu Entstehung, Erhalt und Fortentwicklung vitaler und funktionstüchtiger Zivil- beziehungsweise Bürgergesellschaften. Von dieser Annahme ausgehend wird in den zehn Beiträgen vor allem die Problematik des Zivilgesellschaftsbegriffs und die Einordnung von Religion in diesen erörtert. Die verschiedenen Artikel unterliegen dabei einem dreigliedrigen Fragekatalog: Erstens soll versucht werden, die Frage nach dem Status des vielfach herangezogenen Sozialkapitalansatzes und seiner Tragfähigkeit für die empirischen Forschungen gerade auch zur Rolle von Religion zu beantworten. Zweitens sollen die Varianten eines Zusammenhanges von Religion und Zivilgesellschaft sowie die Notwendigkeit, das Verhältnis beider zum politischen System in die Analyse miteinzubeziehen, untersucht werden. Darüber hinausgehend werden drittens die Themen und Perspektiven, die sich ausgehend vom derzeitigen Kenntnisstand eröffnen, behandelt. Den Beginn macht Oliver Hidalgo mit dem theoretischen Klassiker in Sachen Zivilgesellschaft und Religion: Alexis de Tocqueville. In seinem Beitrag behandelt er die Rolle von Glaube und politischem Engagement am Beispiel des Tocqueville’schen Pessimismus. Dieser unterstellt der Demokratie, dass sie die zivilgesellschaftlichen Potenziale des Gemeinwesens, die Selbstregulierungskräfte und die Handlungsfähigkeit der Bürger untergrabe. Hidalgo arbeitet dabei sehr komplex das politisch-theologische Dilemma heraus, das Tocqueville modernen Massendemokratien bescheinigt. Demgegenüber analysiert Mariano Barbato die postsäkulare Gesellschaft nach Jürgen Habermas. Barbato geht der Frage nach, inwieweit religiöse Semantiken Teil der Suche nach einer Lingua franca im modernen demokratischen Rechtsstaat sein können oder „ob diese Sprache doch eine rein säkulare sein muss“ (56). Erwähnenswert ist ferner der Aufsatz von Martin Schön zur repressiven Religionspolitik und zivilgesellschaftlichem Engagement in Belarus. Der autoritäre Staat erlangt zwar immer wieder Beachtung von Politikwissenschaftlern, es fehlt jedoch eine religionssoziologische Auseinandersetzung. Schön nimmt dieses Desiderat auf und analysiert fundiert die komplizierte Staat-Kirche-Beziehung mit Schwerpunkt auf den zivilgesellschaftlichen Aktivitäten der Kirche. Aufgrund der theoretischen und empirischen Vielschichtigkeit stellt der Sammelband einen wesentlichen Beitrag nicht nur im Bereich der allgemeinen Religionssoziologie, sondern auch im Bereich der politikwissenschaftlichen Systemforschung dar.
Anja Franke-Schwenk (AF)
Dr. des., wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.2 | 2.23 | 2.35 | 2.331 | 2.22 | 2.62 | 2.61 | 2.68 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Anja Franke-Schwenk, Rezension zu: Antonius Liedhegener / Ines-Jacqueline Werkner (Hrsg.): Religion zwischen Zivilgesellschaft und politischem System. Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33566-religion-zwischen-zivilgesellschaft-und-politischem-system_40173, veröffentlicht am 04.08.2011. Buch-Nr.: 40173 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken