
Research in Ethiopian Studies. Selected Papers of the 16th International Conference of Ethiopian Studies, Trondheim July 2007
Dieser Konferenzband umfasst 48 Beiträge, die diversen wissenschaftlichen Disziplinen entstammen. Besonders prominent vertreten sind literaturwissenschaftliche, kunstgeschichtliche, humangeografische, religionswissenschaftliche sowie geschichts- und politikwissenschaftliche Aufsätze. Aus politikwissenschaftlicher Sicht verdienen vor allem die Beiträge von Paulos Milkias und von Merera Gudina, die sich beide mit der ins Stocken geratenen Demokratisierung Äthiopiens beschäftigen, gesteigerte Aufmerksamkeit. Dem Polyarchie-Konzept Robert Dahls folgend identifiziert Milkias zunächst die drei wesentlichen Bedingungen für ein demokratisches Regierungssystem: Parteienwettbewerb um die Besetzung der wichtigsten Staatsämter, freie und faire Wahlen und verfassungsmäßig geschützte Grundfreiheiten. Im zweiten Schritt zeigt der Politologe, wie die Instituierung und Stabilisierung dieser grundlegenden Merkmale eines demokratischen Staates durch die unter der regierenden Partei EPRDF etablierte autoritäre politische Subkultur unterlaufen werden. Er diagnostiziert eine „Dissonanz“ (349) zwischen den erklärten demokratischen Reformzielen und den alltäglichen despotischen Praktiken der Führungsriege der oligarchischen Regierungspartei, die trotz ihres klientelistisch legitimierten Autoritarismus nach wie vor auf die entwicklungspolitische Unterstützung vonseiten der US-Regierung rechnen kann. Die Politologin Gudina analysiert die Restauration nach den Wahlen von 2005, die als die ersten freien und fairen Wahlen Äthiopiens gelten können. Mit der Unterstützung des Militärs gelang es der EPRDF, die angeschlagen aus den Wahlen hervorging, durch staatliche Repressionsmaßnahmen und einer Reform des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens ihre Vormachtstellung zu konservieren. Obwohl die Mehrzahl der Beiträge den Forschungsgegenstand der Politologie kaum oder nur peripher berühren, sorgen die wenigen politikwissenschaftlichen Artikel doch dafür, dass es sich auch für Politologen, die sich mit der diffizilen Situation am Horn Afrikas beschäftigen, lohnt, einen Blick in den Sammelband zu werfen.