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William Zimmerman

Russland regieren. Von Lenin bis Putin. Aus dem Englischen von Claudia Kotte

Darmstadt: Verlag Philipp von Zabern 2015; 399 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-8053-4931-4
Die aus dem Blickfeld der Medien weitgehend verschwundene, aber immer noch virulente Krise in der Ukraine hat auch Fragen nach der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung Russlands neu aufgeworfen. William Zimmerman, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der University of Michigan und ausgewiesener Experte für die russische und sowjetische Geschichte und Politik, nähert sich dem Themenfeld über eine instruktive, historisch grundierte Analyse des Regierungssystems seit der Oktoberrevolution. Die These des Bandes wird im Untertitel des Originals („Authoritarianism from the Revolution to Putin“) deutlicher als in der deutschen Übersetzung. Demnach ist Russland (beziehungsweise die Sowjetunion) über 100 Jahre hinweg fast durchgehend autoritär beherrscht worden, in unterschiedlichen Abstufungen. Zimmerman ergänzt dabei das von Steven Levitsky und Lucan Way vorgeschlagene Modell zum Regimevergleich nach dem Ost‑West‑Konflikt. Deren Annahme der Existenz von demokratischen, „kompetitiv autoritären“ und „voll autoritären“ Systemen fügt er, angelehnt an Zbigniew Brzezi ński, ein „totalitär mobilisierendes“ (11) hinzu. Etwa ein Drittel des Buches widmet der Autor der Zeit seit der Auflösung der Sowjetunion. Die Präsidentschaftswahl 1996 war demnach im Rückblick weit offener als die folgenden der Jahre 2002, 2004 und 2008. In diesem Zeitraum stieg zudem die Anwendung repressiver Maßnahmen bis hin zu einer „voll autoritären“ Phase, definiert nach Levitsky und Way. In der Zeit vor der Wahl 2012, die nach Bekanntgabe der Rochade von Wladimir Putin und Dmitri Medwedew zwischen Präsidenten‑ und Ministerpräsidentenamt von starken Protesten geprägt war, schien die Situation mit einigen kompetitiven Elementen zunächst offener. Nach Putins erneuter Wahl zum Präsidenten verfestigten sich die Strukturen aber wieder, weswegen Zimmermans Zukunftsprognose wenig optimistisch ausfällt: „Die Chancen auf Demokratie sind bedauerlicherweise […] gering“ (310), selektive Repressionen gegenüber potenziellen Oppositionellen und zivilgesellschaftlichen Organisationen bei „gleichzeitiger Bestechung der für Putin mobilisierten breiten Öffentlichkeit […] und Eliten“ (313) seien zu erwarten. Diese Prognosen sieht der Autor in seinem knapp zwei Jahre nach Erscheinen des englischen Originals verfassten Nachwort dieser deutschen Ausgabe weitgehend bestätigt. Es wird sich zeigen, wie sich die zunehmende Belastung Russlands durch das militärische Eingreifen in Syrien und den Ölpreisverfall hier auswirken wird.
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Rubrizierung: 2.622.212.25 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: William Zimmerman: Russland regieren. Darmstadt: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39514-russland-regieren_47974, veröffentlicht am 10.03.2016. Buch-Nr.: 47974 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken