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Rebekka Wyler

Schweizer Gewerkschaften und Europa 1960-2005

Münster: Westfälisches Dampfboot 2012; 346 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-89691-923-6
Diss. Zürich; Begutachtung: J. Tanner, R. Erne. – „Neokorporatistische und Varieties‑of‑Capitalism‑Ansätze haben gezeigt, welch wichtige Rolle die Konstellation von Arbeitgebern, Arbeitnehmenden und Staat in wirtschaftlichen und politischen Prozessen spielt“ (13). Das gilt nach Ansicht von Rebekka Wyler auch für die Schweizer Europapolitik, die maßgeblich von diesen Arrangements staatlicher und wirtschaftlicher Akteure bestimmt wird. Anhand einiger für das Land wichtiger europapolitischer Ereignisse zeichnet sie im ersten Themenabschnitt den Verlauf der Entscheidungsfindung zu Europa innerhalb der Gewerkschaften nach – wie etwa die Gründung der EFTA. Auf der Basis von Quellen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes beschreibt sie die Entwicklung der europapolitischen Positionen und identifiziert die wichtigsten Konfliktlinien, die die innerverbandlichen Auseinandersetzungen im Zeitraum zwischen Ende der 1950er‑Jahre und 2005 prägten. Die Positionen der Gewerkschaften zur europäischen Integration haben sich in diesem Zeitraum entscheidend verändert, berichtet die Autorin, die selbst Gewerkschaftsmitglied ist. Nach anfänglicher Distanz orientierte sich die Mehrheit der gewerkschaftlichen Führungsspitzen seit Ende der 1980er‑Jahre und insbesondere nach dem negativen Ausgang des Referendums 1992, in dem es um den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ging, zwar grundsätzlich proeuropäisch. Doch nach der Ablehnung des EWR und der Rückkehr zum bilateralen Weg änderten die Gewerkschaften ihre Strategie im Hinblick auf die Bilateralen Abkommen, speziell zur Personenfreizügigkeit. Die Gewerkschaften befanden sich in einem Dilemma: „zwischen den Interessen der Export‑ und denjenigen der Binnenbranchen, zwischen aussenpolitischer Öffnung und Schutz des inländischen Arbeitsmarktes“. Eine Lösung sahen sie in den „Flankierenden Maßnahmen“ (171) zu diesen Abkommen, um die Unterbietung lokaler und branchenspezifischer Löhne und Arbeitsbedingungen zu verhindern. Ein zweites Thema ist die Rolle der Schweizer Gewerkschaften in der internationalen Gewerkschaftsarbeit. Wyler legt dar, dass zwar kontinuierliche internationale Kontakte gepflegt wurden und eine „grundsätzlich positive Einstellung gegenüber der internationalen Zusammenarbeit“ (215) besteht, in der Praxis sei die internationale Solidarität jedoch immer wieder „zugunsten anderer Themen und Aktivitäten zurück[gestellt]“ (214 f.) worden. Im dritten Abschnitt geht die Autorin anhand von drei Fallbeispielen auf das Engagement von Schweizer Gewerkschaften in europäischen Betriebsräten ein. Dabei wird deutlich, „wie sich die Veränderungen des ‚Systems Schweiz‘ unter dem Einfluss von Europäisierung und Globalisierung […] auf die Corporate Governance der betrachteten Firmen und damit auch auf die Arbeitsbeziehungen auswirkten“ (307).
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Rubrizierung: 2.52.224.223.6 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Rebekka Wyler: Schweizer Gewerkschaften und Europa 1960-2005 Münster: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37953-schweizer-gewerkschaften-und-europa-1960-2005_43366, veröffentlicht am 15.01.2015. Buch-Nr.: 43366 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken