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Jan Korte / Gerd Wiegel (Hrsg.)

Sichtbare Zeichen. Die neue deutsche Geschichtspolitik – Von der Tätergeschichte zur Opfererinnerung

Köln: PapyRossa Verlag 2009 (Neue Kleine Bibliothek 146); 170 S.; 12,90 €; ISBN 978-3-89438-420-3
Die Zeit der großen Debatten um die öffentliche Erinnerung an die NS-Vergangenheit, wie das Land sie von den Achtzigerjahren bis zur Jahrhundertwende erlebte, scheint vorbei. Doch der Schein trügt, stellen die Herausgeber in ihrer Einleitung fest. Sei es ehemals um das Ausmaß deutscher Verbrechen und Täterschaft gegangen, so kam es mit Beginn des 21. Jahrhunderts zu einer verstärkten Thematisierung der deutschen Opferrolle wie sie in den Debatten um den Bombenkrieg oder die Vertreibung Deutscher aus den östlichen Teilen Europas erfolgte. Korte und Wiegel sehen in dieser Entwicklung, die im Kontext „einer Universalisierung der NS-Erinnerung“ (7) steht, eine gefährliche Entwicklung zur Verharmlosung des Geschehenen und eine herausragende Aufgabe der Geschichtspolitik. Wiegel spricht in seinem Beitrag zur Entwicklung eines neuen Gedenkstättenkonzepts des Bundes von einem „geschichtspolitischen Putschversuch“ (30). Er bezieht sich insbesondere auf den ersten Entwurf des Konzepts, der zahlreiche Proteste auslöste. Wiegel formuliert: „Eine konservative Kampfdiktion durchzieht den gesamten ersten Entwurf und zeigt […], wohin die Union sich gerne bewegt hätte: zu einer weitgehenden Parallelisierung von DDR und deutschem Faschismus“ (37). Dass bis heute allein die DDR zum Untersuchungsgegenstand gemacht werde und so die Wechselwirkungen der beiden deutschen Staaten sowie die Konstellation des Kalten Krieges ausgeblendet blieben, schränke die Freiheit der Forschung entschieden ein, so der Autor. Korte stellt in seinem Beitrag die Erinnerung an die Widerständler des 20. Juli in den Kontext eines „Projekts Saubere Wehrmacht“ und der „Legitimation weiterer Angriffskriege“ (85). In der Erinnerungskultur werde der Mythos des anständigen Kerns der Wehrmacht bewahrt. Dabei blieben jedoch einerseits die ideologischen und rassistischen Schnittmengen mit dem Regime ausgeblendet, andererseits, dass zahlreiche Widerständler an den Verbrechen aktiv beteiligt waren und die gängige Schilderung, sie hätten sich unter Eindruck der NS-Verbrechen zum Widerstand entschlossen, somit falsch sei.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Jan Korte / Gerd Wiegel (Hrsg.): Sichtbare Zeichen. Köln: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31257-sichtbare-zeichen_37180, veröffentlicht am 21.10.2009. Buch-Nr.: 37180 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken