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Hans Peter Bull

Sinn und Unsinn des Datenschutzes. Persönlichkeitsrecht und Kommunikationsfreiheit in der digitalen Gesellschaft

Tübingen: Mohr Siebeck 2015; VII, 133 S.; 24,- €; ISBN 978-3-16-154182-7
Unternehmer wie Verbraucher halten das bestehende Datenschutzrecht für veraltet. Die dabei vertretenen Positionen stehen sich trotz Reformen wie der EU‑Datenschutzgrundverordnung weiterhin unversöhnlich gegenüber. Deutschlands erster Bundesbeauftragter für den Datenschutz versucht mit diesem kleinen Buch, ideologische Gräben wenigstens etwas zuzuschütten und vertritt eine nüchtern‑pragmatische Position: Technologische Neuerungen benötigten nicht automatisch auch gleich schärfere Datenschutzgesetze. Während er betont, der bisherige Datenschutz habe sich bewährt, steht Bull einem Kernbegriff des Datenschutzes, dem vom Bundesverfassungsgericht geschaffenen Recht auf informationelle Selbstbestimmung, kritisch gegenüber. Der Anspruch, wissen zu können, wer was wann über die eigene Person gespeichert habe, sei eine „unerfüllbare Wunschvorstellung“ (20 f.). Hier ignoriert Bull, dass die digitale Speicherung nicht nur die Erfassung erleichtert, sondern auch potenziell die Einsichtnahme durch Betroffene. Dieses Wissen sei unnötig, argumentiert der Staats‑ und Verfassungsrechtler, solange aus diesen Informationssammlungen keine Nachteile erwachsen würden. Im Kontext von Big‑Data‑Analysen ist ohne dieses Wissen indes kaum der Nachweis möglich, dass ein bestimmter Nachteil auf eben diese Sammlung und Analyse von Daten zurückzuführen ist. Experten wie Yvonne Hofstetter haben die realen Gefahren bereits ausführlich dargestellt. Bull argumentiert weiter, man könne nicht alle potenziell denkbaren Formen des Missbrauchs in die Risikoabschätzung einbeziehen. Auch hier fehlt ein genuin technologischer Aspekt: Sämtliche aktuell umstrittenen Internetangebote basieren auf Netzeffekten – mit jedem zusätzlichen Profil steigt der Nutzen aller Beteiligten. Bei digitalen Netzeffekten wächst mit dem potenziellen Nutzen aber auch der potenzielle Schaden. Beim Diebstahl von Kreditkartendaten ist es etwa ein erheblicher Unterschied, ob in der Datenbank fünftausend Kunden erfasst sind oder fünfzig Millionen. Bull verkennt, dass digitale Netze eine eigene mediale Qualität besitzen, die enorme Folgen für den Datenschutz hat. So verwundert es nicht, dass er das Schlüsselthema Big Data auf zwei Seiten als bloßen „Hype“ (35) bezeichnet. Mit seiner Argumentation verharrt er in einem Diskussionsschema, das noch aus der – mitunter tatsächlich hysterisch geprägten – Zeit vor dem Aufkommen des Internets stammt.
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Rubrizierung: 2.3432.333 Empfohlene Zitierweise: Dirk Burmester, Rezension zu: Hans Peter Bull: Sinn und Unsinn des Datenschutzes. Tübingen: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39499-sinn-und-unsinn-des-datenschutzes_48123, veröffentlicht am 03.03.2016. Buch-Nr.: 48123 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken