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Conrad Taler

Skandal ohne Ende. Deutscher Umgang mit dem Rechtsextremismus

Köln: PapyRossa Verlag 2012 (Neue Kleine Bibliothek 187); 175 S.; 12,90 €; ISBN 978-3-89438-503-3
Wie konnte die rechtsextreme NSU‑Mörderbande über ein Jahrzehnt hinweg Menschen umbringen, ohne dass die deutschen Strafverfolgungsbehörden auch nur den Hauch einer Idee hatten, was sich da abspielte? Auf seiner Suche nach einer Erklärung für diese bedrückende Situation wirft Conrad Taler einen Blick zurück bis auf die Anfänge der bundesrepublikanischen Geschichte – und findet eine lange Tradition der Verharmlosung rechtsextremistischer Umtriebe. Angefangen bei der noch heute virulenten, unsäglichen Debatte über die Äquivalenz von Holocaust und dem Schicksal der deutschen Vertriebenen, wie sie ritualisiert im Zusammenspiel zwischen CDU/CSU und den Vertriebenenverbänden im Sinne einer Opferkonkurrenz ungebrochen weiter perpetuiert wird, bis hin zur Walser‑Debatte über die „Moralkeule Auschwitz“ (134) – Taler trägt etliche Beispiele für einen Aspekt der politischen Kultur Deutschlands zusammen, die allesamt dazu angetan sind, an den demokratischen Qualitäten dieses Landes zu zweifeln. Es bleibt nur die Frage, ob Taler in seiner – nicht zuletzt auch parteipolitisch eingefärbten – Suche nach Ursachen für politischen Extremismus zu kurz greift, wenn er sich nur auf eine historische Analyse der Aussagen von hohen Repräsentanten aus Politik und Kultur beschränkt. Das ist per se auch eine Leistung, ohne Frage, klammert aber die sozialen Problematiken in diesem Land zu Unrecht aus und verzerrt damit die Ergebnisse der intendierten Ursachenforschung. Denn wer etwa die Problematik nicht berücksichtigt, dass in Teilen Ostdeutschlands ein Viertel der Bevölkerung zum – wie die Friedrich‑Ebert‑Stiftung es einmal formuliert hat – abgehängten Prekariat gehört, das für Politik in keiner Weise und auf absehbare Zeit mehr erreichbar ist, der lässt ein in diesem reichen Land maßgebliches Ursachenbündel für politische Apathie und Extremismus außer Acht. – Ungeachtet dieser Kritik an der Materialauswahl liefert Taler dennoch eine lesenswerte, weil beklommen machende historische Studie über den deutschen Umgang mit rechtsextremen Äußerungen und Einstellungen.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.37 | 2.35 | 2.324 | 2.313 | 2.314 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Conrad Taler: Skandal ohne Ende. Köln: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35668-skandal-ohne-ende_43065, veröffentlicht am 13.02.2013. Buch-Nr.: 43065 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken