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Evgeny Morozov

Smarte neue Welt. Digitale Technik und die Freiheit des Menschen. Aus dem Englischen von Henning Dedekind und Ursel Schäfer

München: Karl Blessing Verlag 2013; 655 S.; 24,99 €; ISBN 978-3-89667-476-0
Evgeny Morozov wird in den Feuilletons als Lichtgestalt einer emanzipatorischen Internetkritik gefeiert. Man fragt sich mit Blick auf dieses unsägliche Buch nur: Warum? Sein Anliegen ist schnell zusammengefasst: Es geht ihm darum, den „Internetzentrismus“ (41 und passim) und „Solutionismus“ (25 und passim) der neuen digitalen Welt einer grundlegenden Kritik zu unterziehen, um den Mythos von „dem“ Internet zu dekonstruieren. Er liefert dabei eine umfassende Diagnose jener Pathologien, die mit einem unverwüstlichen Glauben an „das“ Internet einhergehen und die die umfassende Umsetzung seiner Imperative in Gesellschaft, Politik und Kultur hervorruft. Das Internet als bloße Technologie und alle seine Werte sollen aufhören, bloßer Selbstzweck mit potenziell schädlichen Auswirkungen zu sein, sondern wieder zu einem Mittel demokratischer und freiheitlicher Politik werden. Die Absicht ist löblich, die Umsetzung eine Katastrophe. Die Unart, enigmatische Überschriftentitel zu verwenden, deren Sinn sich (wenn überhaupt) erst bei der Lektüre der betreffenden Kapitel erschließt, wird hier auf die Spitze getrieben und macht ein gezieltes Lesen unmöglich. Der erste Einstieg in das Buch ist also schon verdorben, doch der Eindruck bessert sich nicht, wenn man sich in und durch die einzelnen Kapitel quält. Das Buch ist geprägt durch einen langatmigen, redundanten und besserwisserischen Stil. Ein klarer Argumentationsgang ist in den einzelnen Kapiteln nur mit Mühe zu entdecken – es scheint so, als wäre mit dem Internet auch das Prinzip linearen Schreibens ad acta gelegt. Von gestelzten Neologismen und einer Nerd‑Sprache schweigen wir hier. Aus wissenschaftlicher Perspektive ärgert stärker die Mischung aus eklektischer Forschungsrezeption aller denkbaren Disziplinen, Anekdotentum und windschiefen Alltagsvergleichen. Wenigstens eine Sache kann man ihm nicht zum Vorwurf machen: Weil das Buch und seine Anekdoten fast ausschließlich vor US‑amerikanischem Hintergrund und der dortigen Internetkultur angesiedelt sind, geht es an vielen Stellen auch an den europäischen und deutschen Debatten zu „dem“ Internet vorbei. Um nicht missverstanden zu werden: Morozov hat viel gelesen, kennt sich gut aus und hat im Detail gute Gedanken. Die Kompilation dieser Versatzstücke macht aber noch kein gutes Buch. Fazit: Die „Smarte neue Welt“ ist in jeder Hinsicht unbrauchbar – für ein Manifest zu ungelenk, zu dick, zu unpointiert, zu redundant, für eine wissenschaftliche Abhandlung zu unsystematisch, zu kämpferisch, zu unreflektiert und für das Feuilleton zu verquer, zu langatmig, zu detailliert.
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Rubrizierung: 2.22.225.42 Empfohlene Zitierweise: Andreas Braune, Rezension zu: Evgeny Morozov: Smarte neue Welt. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38014-smarte-neue-welt_44749, veröffentlicht am 29.01.2015. Buch-Nr.: 44749 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken