In diesem Sammelband, der dem großen Sozialhistoriker Gerhard A. Ritter anlässlich seines 80. Geburtstags gewidmet ist, werden Ursprung und Entwicklung des deutschen Sozialstaats aus geschichts- und rechtswissenschaftlicher Perspektive dargestellt. Dabei kommen auch Praktiker zu Wort. Ein lückenloser Überblick über die komplette historische Entwicklung des deutschen Sozialstaats wird dezidiert nicht angestrebt. Vielmehr konzentrieren sich die Autoren auf einzelne Aspekte, die mit der Sozialstaatlichkeit verbunden sind. Entlang der Grobgliederung in wohlfahrtsstaatliche Akteure, einen internationalen Vergleich und aktuelle Herausforderungen kommen Themen wie sozialdemokratische Arbeiterbewegung und Sozialversicherung im Kaiserreich, Fraueninteressen in der Rentendiskussion der DDR oder betriebliche Mitbestimmung bei Krupp und Bayer zur Sprache. Die Autoren befassen sich teilweise mit klassischen Fragen nach dem Europäischen Sozialmodell, der Pfadabhängigkeit oder dem Verhältnis der Zivilgesellschaft zum Sozialstaat. Besonders interessant sind auch die Beiträge zu Nischenthemen, die in ähnlichen Überblickswerken fehlen. Zur Illustration genannt seien hier das schwedische Volksheim, die Rentenversicherung des Kaiserreichs aus Gender-Perspektive oder die Behindertenpolitik. Insofern stellt das Buch kein Substitut dar für einen thematisch umfassenden und in der historischen Abfolge lückenlosen Überblick über die Entwicklung des deutschen Sozialstaats. Vielmehr besticht der Sammelband durch die Vielfalt der Einzelthemen und durch die interdisziplinären Zugänge zu den einzelnen Untersuchungsfeldern, die sich aus der Geschichtswissenschaft, der Rechtswissenschaft, aber auch dezidiert aus der Politikwissenschaft speisen. Es handelt sich also eher um eine Ergänzung bestehender Werke zur Entwicklung des deutschen Sozialstaats, die aber gerade von Sozialhistorikern mit Gewinn gelesen werden kann – nicht zuletzt auch wegen der beschriebenen Anwendung interessanter und aufschlussreicher sozialhistorischer Methoden.