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Franz Walter / Stine Marg (Hrsg.)

Sprachlose Elite? Wie Unternehmer Politik und Gesellschaft sehen

Reinbek: Rowohlt 2015 (BP-Gesellschaftsstudie ); 352 S.; 16,95 €; ISBN 978-3-498-04213-4
Wie sieht die politische und gesellschaftliche Vorstellungswelt deutscher Unternehmer aus? Bisher gebe es nur wenige Elitenstudien zu diesem Forschungsgegenstand, schreiben die Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter und Stine Marg einleitend. Für diesen Band wurden in den Jahren 2013 und 2014 unter anderem Unternehmer, Manager und Gesellschafter größerer deutscher Unternehmen mittels etwa 160 Face‑to‑Face‑Interviews und in drei Fokusgruppen nicht nur zu ihrem Politik‑ und Gesellschaftsbild, sondern auch zum persönlichen Werdegang (Roland Hiemann), den Wertvorstellungen und Leitbildern (Matthias Micus), den Geschlechterrollen in der Wirtschaft (Teresa Nentwig) sowie ihrer Selbstwahrnehmung als Unternehmer (Stine Marg) befragt. Die einzelnen Beiträge des Sammelbandes sind unterschiedlichen Aspekten gewidmet, die sich aus diesen Grundthemen ableiten lassen. Dabei ist eine inhaltliche Verschränkung der Beiträge zu beobachten, was nicht redundant, sondern sinnvoll erscheint und den inhaltlichen Austausch der Autorinnen und Autoren des Bandes zeigt. Robert Lorenz geht beispielsweise der Frage nach, warum sich Unternehmer heute so selten in der Politik engagieren. Die Antworten reichen von materiellen Gründen (schlechte Vergütung, geringer sozialer Status von Politikern) über die Ablehnung der Dauerbeobachtung und Kritik durch Massenmedien bis hin zu einer negativen Wahrnehmung der Politik an sich (Intrige, Täuschung, Mangel an Entscheidungsfähigkeit). Zwar wird die Demokratie von allen als wertvolle Errungenschaft angesehen und als legitime Herrschaftsform akzeptiert, andererseits wird auch viel Kritik am politischen Prozess geäußert. Kritisiert werden etwa die ständige Kompromissfindung, lange Verhandlungen mit diversen Vetospielern, fehlende Grundsatzdebatten und eine mangelnde Entschlossenheit und Durchsetzungsfähigkeit der politischen Akteure. Der Grundtenor lautet, dass der politische Kompass für das Land fehle; stattdessen seien Politiker „Kurzfristdenker ohne Haftung“ (115). So lässt sich durchaus ein „latentes Skepsis‑ und Verdrossenheitspotenzial“ (130) bei den Unternehmern konstatieren. Der Band deckt eine vernünftige Bandbreite an Themen ab, ist gut zu lesen, eröffnet interessante Einblicke in die Welt der Unternehmer und kann als wichtiger Beitrag zum Forschungsstand verstanden werden.
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Rubrizierung: 2.3312.232.242.2622.27 Empfohlene Zitierweise: Christoph Mohamad-Klotzbach, Rezension zu: Franz Walter / Stine Marg (Hrsg.): Sprachlose Elite? Reinbek: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39396-sprachlose-elite_47373, veröffentlicht am 18.02.2016. Buch-Nr.: 47373 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken