
Staat und Ordnung im konservativen Denken
Im deutschen Alltag hat der „Begriff ‚konservativ‘ einen […] biederen, verzagten, aber doch im Grunde durchaus positiven Klang, […] weckt [er doch] Assoziationen an das Bewährte, das Sichere, das Berechenbare, das Vorsichtige, das Verlässliche, das Maßvolle“ (9). Nicht so hingegen in den intellektuellen Debatten, obwohl sich auch der „Umweltschutzgedanke der Grünen oder das ordnungspolitische Denken in der FDP […] als konservativ beschreiben ließen“ (10). Trotz aller Brüche – nicht zuletzt wegen des Paktierens mit der NS‑Diktatur – wollen die Herausgeber sich an eine Selbstverständlichkeit des konservativen Denkens annähern, wie es gerade für den anglo‑amerikanischen Raum typisch ist. Schwierig erweise sich hierbei, dass der Konservativismus im Unterschied zum Liberalismus und Sozialismus weitaus heterogener, häufiger auch „eher eine Lebenshaltung als eine Doktrin“ (12) sei. Im Schwerpunkt beschränken sich die Herausgeber daher auf Deutschland. Thomas Hobbes, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Carl Schmitt werden explizit ausgeklammert, da hierzu schon eigene „Staatsverständnisse“ vorliegen. Die einzelnen Beiträge erschließen einerseits zentrale Topoi und Antipoden konservativen Denkens wie „Ordnung“, „Staat“, „Religion“, „Masse“, „Rationalismus“, „Patriotismus“ und „Realismus“. Zugleich wird ein chronologischer Überblick zum Revolutionszeitalter, der politischen Romantik (insbesondere Friedrich Schleiermacher, Friedrich Novalis von Hardenberg), zum (völkisch‑)etatistischen Neohegelianismus (bei Julius Binder und Karl Larenz) und zur Neuformulierung konservativer Positionen nach 1945 gegeben. Natürlich hätte man sich noch eigenständige Beiträge zu Leo Strauss, Eric Voegelin, Edmund Burke, und vielleicht auch Hannah Arendt, gewünscht. Doch der Band ist mit seinen 380 Seiten ohnehin schon breiter ausgefallen als in der Reihe üblich. Er überzeugt daher auch nicht durch eine – kaum zu erreichende – kompendienhafte Vollständigkeit, sondern durch die vielen, teilweise sehr aktuellen Querbezüge: etwa zur Zivilreligion bei Hermann Lübbe, zum Realismus in den internationalen Beziehungen oder zur Patriotismusdebatte der Berliner Republik – und gerade auch dadurch, dass er das „Deutsche“ im Konservatismus offenlegt, der sich im Unterschied zu den USA viel zu selten auf die „Freiheit“ vom „Staat“ beruft.