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Julian Krüper / Heiko Sauer (Hrsg.)

Staat und Recht in Teilung und Einheit

Tübingen: Mohr Siebeck 2011 (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 69); VIII, 269 S.; brosch., 54,- €; ISBN 978-3-16-150983-4
Zum 20-jährigen Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung organisierten die Juristische Fakultät und das Institut für Geschichtswissenschaften der Universität Düsseldorf die Ringvorlesung „Staat und Recht in Teilung und Einheit“, die mit diesem überaus gelungenen Band dokumentiert wird. Die Auswahl der Referenten (sowie der vier zusätzlichen Autoren) und der thematische Zuschnitt der Artikel zeigen, dass sich die Herausgeber dem Thema von unterschiedlicher Seite nähern möchten: Zum einen wurde ein eher persönlicher Standpunkt gewählt, der die individuelle Geschichte mit den politischen Ereignissen verbindet. Hier sei exemplarisch auf den Beitrag von Marianne Birthler verwiesen, die von der Entstehung der Stasi-Unterlagenbehörde und den Erfahrungen ihrer Arbeit berichtet. Dabei zeigt sie, dass die weltweit einmalige Möglichkeit, Geheimdienstakten zugänglich zu machen, nicht nur auf uneingeschränkte Zustimmung stieß, sondern die Wünsche der Stasiopfer mit anderen Interessen austariert werden mussten: „Wir, die Vertreter der Bürgerbewegung, plädierten für eine sehr weitgehende Öffnung der Akten. ‚Herrschaftswissen enteignen!‘ […] Und dann bekamen wir es mit unseren westlichen Beratern zu tun, die sich die Haare rauften und uns fragten, ob wir denn noch nie etwas von Datenschutz gehört hätten, vom Kampf gegen den gläsernen Menschen und für informationelle Selbstbestimmung.“ (186) Zum anderen ist der Beitrag von Michael Stolleis zu nennen, der sich dem Rahmenthema von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus nähert. Stolleis erinnert daran, dass es Juristen generell interessieren sollte, „wie sich ein Rechtssystem unter politischem Druck verformt – und warum es das tut. Wir werden damit der Vergangenheit besser gerecht und – ohne Zweifel – wir lernen auch etwas für die Gegenwart“ (28). Stolleis will daher das Rechtssystem der DDR nicht von vornherein als nicht vorhanden oder als falsch bewerten und das bundesrepublikanische Recht als gut und richtig darstellen, sondern er möchte die Genese beider verstehen. Dieser Ansatz ist keineswegs gleichzusetzen mit einer relativierenden Sicht auf das DDR-Recht oder einer a-normativen Rekonstruktion der beiden Rechtsgeschichten – ganz im Gegenteil: Durch das Verstehen kann erst nachvollzogen werden, „wie bestürzend rasch sich Argumentationsmuster verändern, wenn Idealismus und Aufbauwille, politischer Druck und allgegenwärtige Propagandasprache, Sorge um Familie und Karriere sich miteinander mischen“ (42). Daher plädiert Stolleis mit guten Gründen dafür, die bundesdeutsche Verfassungs- und Rechtskultur zu pflegen und zu verteidigen und macht gleichzeitig deutlich, wie fragil politische und rechtliche Systeme sein können.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.31 | 2.313 | 2.314 | 2.35 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Julian Krüper / Heiko Sauer (Hrsg.): Staat und Recht in Teilung und Einheit Tübingen: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34637-staat-und-recht-in-teilung-und-einheit_41622, veröffentlicht am 24.05.2012. Buch-Nr.: 41622 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken