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Henning Andresen

Staatlichkeit in Afrika. Muss Entwicklungshilfe scheitern?

Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel 2010; 216 S.; pb., 19,90 €; ISBN 978-3-86099-671-3
„Man sagt, dass ein Besucher aus dem Westen nach einer Woche ein Buch, nach einem Monat einen Aufsatz und nach einem Jahr gar nichts mehr [über Afrika] schreiben kann, weil er dann erkannt hat, wie komplex die afrikanische Lebenswelt ist“ (88), schreibt Andresen, der selbst auf lange berufliche Aufenthalte in Afrika zurückblickt. Seine Erkenntnis der komplexen Zusammenhänge zwischen Staatlichkeit, afrikanischer Soziokultur und Entwicklungshilfe legt der Volkswirt und langjährige Mitarbeiter im Afrikabereich der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) nun auf 200 Seiten einem breiten Lesepublikum dar. Ausgangspunkt seiner Analysen ist die Beobachtung, dass entwicklungspolitische Projekte im Einzelnen vielfach erfolgreich sind, diese Resultate sich aber nicht in der entwicklungspolitischen Gesamtbilanz auf staatlicher oder länderübergreifender Ebene niederschlagen. Um diesen „Mikro-Makro-Widerspruch aufzulösen“ (7), setzt sich Andresen zunächst kritisch mit dem afrikanischen Staat auseinander, den er als „Fremdkörper und Selbstbereicherungsinstrument“ (13) bezeichnet. Andresen geht dabei auch auf die Mitverantwortung der Industrieländer und internationalen Unternehmen – beispielsweise durch politischen Opportunismus im Kalten Krieg – für die Herausbildung neopatrimonialer und klientielistischer Strukturen sowie die Zentralisierung von Macht ein. Als Hauptargument für das Scheitern von ökonomischer und demokratischer Entwicklung dienen ihm die soziokulturellen Eigenschaften der Afrikaner. Dazu zählen beispielsweise für ihn der starke Zusammenhalt der Familie oder Gemeinschaft, die Ablehnung von Individualismus, Wettbewerb und Aufstieg, ein weit verbreiteter Aberglaube oder ein nach westlichen Vorstellungen wachstumsfeindliches Zeitverständnis. Zwar betont der Autor mehrmals, dass nicht von kausalen Zusammenhängen gesprochen werden könne und Afrika differenziert betrachtet werden müsse, doch macht er in der Hauptsache traditionelle Werte und Einstellungen für die vielfachen Fehlentwicklungen und entwicklungspolitischen Misserfolge verantwortlich. Aus seinen eingehenden und sicherlich kritisch-konstruktiv gemeinten, zum Teil jedoch recht pauschal dargelegten Erkenntnissen leitet er Handlungsempfehlungen für eine künftige Entwicklungspolitik ab. Sie reichen – ganz konkret – vom Ausbau der Kleinkreditfinanzierung bis – allgemein – zur Förderung kritischen Denkens.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.67 | 4.44 | 2.21 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Henning Andresen: Staatlichkeit in Afrika. Frankfurt a. M.: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33355-staatlichkeit-in-afrika_39897, veröffentlicht am 12.01.2012. Buch-Nr.: 39897 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken