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Ludwig Gasteiger / Marc Grimm / Barbara Umrath (Hrsg.)

Theorie und Kritik. Dialoge zwischen differenten Denkstilen und Disziplinen

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (Sozialtheorie); 317 S.; 36,99 €; ISBN 978-3-8376-2986-6
Die Autor_innen gehen von der Annahme aus, „dass die Pluralität theoretischer Angebote nur dann produktiv werden kann, wenn statt einer Beliebigkeit des unvermittelten Nebeneinanders ein Dialog über die Möglichkeiten und Grenzen von Theorie und Kritik zwischen den Theorietraditionen und Disziplinen geführt wird“. Das Plädoyer für eine „dialogische Theoriebildung“ (34) stellt dabei nicht nur den roten Faden dar, der sich durch sämtliche Beiträge zieht, sondern hebt den Band zugleich in angenehmer Weise von den gängigen Ansätzen kritischer Sozialwissenschaften ab, die sich meist darauf konzentrieren, dem vermeintlich begrenzten Verständnishorizont eines wissenschaftlichen Mainstreams ein alternatives Theorieangebot entgegenzustellen. In diesem Buch wird Kritik hingegen nicht mit einer bestimmten Schule gleichgesetzt; vielmehr geht es den Autorinnen und Autoren darum, „Abgrenzungsstrategien, welche die Besonderheit der eigenen Theorie(‑tradition) dadurch verdeutlichen, dass sie sich ‚ScheingegnerInnen‘ konstruieren", eine Absage zu erteilen und sich stattdessen für eine „Anerkennung von Differenzen“ stark zu machen, um „die Möglichkeit eines vertieften Verstehens des ‚Eigenen‘ mithilfe des ‚Fremden‘ und ‚Anderen‘“ (35) zu eröffnen. Dieses Anliegen wird schrittweise in drei Hauptteilen entwickelt. In den Beiträgen des ersten Teils geht es allgemein um kritische Theorietraditionen. Der zweite Teil versammelt drei Artikel, die sich mit (den Möglichkeiten von) Dialogen zwischen unterschiedlichen Forschungsprogrammen und Paradigmen beschäftigen. Dabei wird versucht, sowohl zwischen unterschiedlichen Zugängen zum Begriff des Politischen als auch zwischen verschiedenen Methodologien zu vermitteln. Der dritte Teil schließlich zeichnet Entwicklungen und Umbrüche in ausgewählten theoretischen Debatten nach. So beschäftigt sich etwa Cornelia Möser in ihrem Beitrag mit der Frage, wie Paradigmenwechsel diskursiv hergestellt werden, und entlarvt diese somit als Auseinandersetzungen um akademische und politische Hegemonien. Derartige Konflikte, so ihr Argument, müssten offengelegt und damit theoretisierbar gemacht werden. Erst dann könne sich der produktive Charakter wissenschaftlicher Debatten entfalten. Alles in allem bietet der Band jede Menge spannender Auseinandersetzungen und Denkanstöße. Einziges Manko bleibt das Fehlen eines abschließenden Kapitels, in dem die Einsichten der Beiträge hätten resümiert und vorläufige Schlussfolgerungen gezogen werden können. Vielleicht aber ist das durchaus gewollt – eine dialogische Theoriebildung lässt sich schließlich nicht mit dem Korsett eines vorgefertigten Forschungsprogramms vereinbaren.
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Rubrizierung: 5.22.275.42 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Ludwig Gasteiger / Marc Grimm / Barbara Umrath (Hrsg.): Theorie und Kritik. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39771-theorie-und-kritik_47811, veröffentlicht am 23.06.2016. Buch-Nr.: 47811 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken