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David Cay Johnston: Trump im Amt. „Ein Präsident, der gerne Diktator wäre“

15.03.2018
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Autorenprofil
Natalie Wohlleben, Dipl.-Politologin
Aus dem amerikanischen Englisch von Regina Berger, Robert Poth und Annemarie Pumpernig.
Elsbethen, Ecowin Verlag 2018

Der Originaltitel fasst auf den Punkt zusammen, worüber David Cay Johnston in diesem Buch aufklärt: „It’s Even Worse Than You Think: What the Trump-Administration Is Doing to America“. Eingebettet ist diese Analyse, in der zentrale Politikfelder wie die Arbeitsmarkt-, Steuer- und Bildungspolitik sowie außenpolitische Auftritte und Entscheidungen im Mittelpunkt stehen, in eine Charakterisierung des Präsidenten, der sich vor allem mithilfe seines Amtes selbst bereichert, und die Erklärung seines Wahlsiegs als Ausdruck einer tieferen Krise, die diesen politischen „Tsunami“ (401) ausgelöst hat.

David Cay Johnston, der, wie er schreibt, seit 1988 über Donald Trump publiziert und in dieser Zeit Zehntausende Seiten an Dokumenten gesammelt hat, sieht in dem Präsidenten die personifizierte „Kakistokratie“ (14) – die Regierung durch die Allerschlechtesten. Mit anderen Biografen sehe er sich einig in der Wahrnehmung Trumps als einen bösartigen Narzissten, in dessen Kopf Chaos herrsche, der mit der ungestraften sexuellen Belästigung von Frauen prahle und unverhohlen an den Rassismus seiner weißen Landsleute appelliere. Seine gesamte Lebensphilosophie laute schlicht: „Rache“ (32) – es sei das Credo der Diktatoren und Mafiabosse. Trump sei ein Trickbetrüger, habe als Unternehmer regelmäßig von ihm beauftragte Handwerks- und Baufirmen die vollständige Bezahlung ihrer Rechnungen verweigert, sei zweimal wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden, pflege Kontakte zu einem international agierenden Drogenhändler und habe Geschäfte mit Vertretern des russischen organisierten Verbrechens gemacht. Damit sei Trump im Vergleich zu allen Amtsvorgängern ein Alleinstellungsmerkmal zu attestieren: Er sei der erste Präsident, dem das Wohl des Landes egal sei, ihm gehe es nur um sich selbst, „Punkt. Ende.“ (32)

An diese Charakterisierung schließt Johnston nahtlos die Feststellung an, dass sich die Kleptokratie in den USA unter der Trump-Administration im Aufwind befindet und der Präsident seine Position unverhohlen zur Selbstbereicherung nutzt. Als erstes Beispiel wird das International Hotel Washington DC genannt, das Gebäude hat Trump vor seiner Wahl für 60 Jahre vom Staat gepachtet. Seitdem er im Amt ist, läuft es nach den Zahlen, die Johnston vorliegen, hervorragend – weil ausländische Delegationen nun bevorzugt dort absteigen. Laut einer Klausel im Pachtvertrag, die zitiert wird, ist es allerdings Mitarbeitern des Staates „ausdrücklich verboten“ (51), aus dem Pachtvertrag Gewinne zu ziehen oder von diesen zu profitieren. Aber auch mit seinen Golfplätzen verdient Trump nun besonders üppig, weil er Präsident ist: Fährt er beispielsweise nach Mar-a-Lago, werden dort alle Leistungen für seine Begleiter normal zulasten der Steuerzahler abgerechnet. So muss sogar die Miete für die Caddys bezahlt werden, mit denen die Geheimdienstmitarbeiter Trump zu seinem Schutz folgen, während er Golf spielt.

Trump sei der erste Präsident, der zudem „Bedenken wegen möglicher Einkünfte aus Geschäften mit ausländischen Regierungen weckt. Die Verfassungsväter hätten dies in jedem Fall als Korruption eingestuft“ (60). So besitzen Trump und seine Familie seit seinem Treffen mit Xi Jinping nunmehr die Rechte an 100 chinesischen Marken, zuvor hatte er unter anderem in Saudi-Arabien investiert, wohin ihn seine erste Auslandsreise führte. Dort ergriff er ohne plausiblen Grund die saudische Partei gegen Katar, das als Heimat von Al Jazeera den Autokraten der Region ein Dorn im Auge ist.

Das Bild, das Johnston von der Arbeit der Trump-Administration entwirft, überrascht vor dem eben geschilderten Hintergrund nicht. Als zentrale Maßnahme stellt er fest, dass die Administration „an allen Stellen innerhalb der Regierung ‚politische Termiten‘“ (34) platziere. Erklärte Absicht sei die Dekonstruktion des Verfassungsstaates. In diesen Kontext gehört die schleppende Besetzung der 4.000 Positionen im Regierungsapparat, auf die ein neuer Präsident Mitarbeiter berufen kann. Auch seien alle Botschafter entlassen worden und nach sieben Monaten erst 36 von 188 dieser Posten neu besetzt worden. Dieses Vorgehen stelle ein ernsthaftes wirtschaftliches und nationales Sicherheitsrisiko dar, da gerade im Außenministerium im Zuge der Absicht, es personell zu verschlanken, das institutionelle Gedächtnis ausgedünnt worden sei. Zudem besetze Trump offene Stellen bevorzugt mit Sonderregierungsangestellten, um zunächst das Bestätigungsverfahren im Senat zu umgehen.

Johnston benennt mehrere von Trump ernannte Führungskräfte, die als „politische Termiten“ an der Dekonstruktion des Verwaltungsstaates beteiligt sind. Dazu zählen etwa die Bildungsministerin Betsy DeVos, die zuvor Anteile an Unternehmen hielt, die praktisch unreguliert Kredite an arme Studierende vergeben, und die eine starke Verfechterin des privaten Schulwesens ist, oder die Neubesetzung an der Spitze der Bundesumweltbehörde mit einem Verfechter der Energiegewinnung aus Kohle. Verlangt werde zudem die Schließung der Trade und Development Agency, so Johnston. Diese Behörde fördere den Export US-amerikanischer Produkte und Dienstleistungen und sichere damit nachweislich den Erhalt von Arbeitsplätzen. Die beabsichtigte Schließung wird laut Johnston damit begründet, dass der private Sektor diese Aufgabe besser erledigen könne – wofür es keinerlei Beleg gebe. Insgesamt wird aus der Auflistung und Analyse der bisherigen Arbeit der Trump-Administration deutlich, dass Trump entgegen seiner Wahlkampfversprechen weder den Arbeitern und Studierenden noch den Veteranen dabei hilft, ihr Leben zu meistern – im Gegenteil: Leistungen werden gekürzt, Jobs in den Behörden, die bislang vor allem Veteranen erhielten, nicht neu besetzt und das Bildungswesen ausgehungert: Betroffen seien davon alle die Studierenden, deren Eltern nicht wohlhabend genug seien, um das College zu bezahlen. Tatsächlich werde damit vor allem afroamerikanischen Studierenden der finanzielle Boden entzogen. Das sei „institutioneller Rassismus“ (302). „Man könnte die Maßnahmen Trumps durchaus als ‚Krieg gegen die Armen‘ auffassen, insbesondere gegen die Armen, die keine weiße Hautfarbe haben.“ (309)

Ergänzt wird diese willkürliche Verschärfung sozialer Härten durch eine Steuerreform, mit der vor allem Großunternehmen (und Trump selbst) entlastet werden. Seine eigenen Steuererklärungen habe Trump nicht veröffentlicht, aber aus einigen Seiten, die er erhalten habe, so Johnston, seien Informationen herauszulesen gewesen – vor allem über die Tricks, wie Steuerzahlungen vermieden worden seien. Dass Trump die Belange der normalen Arbeitnehmer nicht interessieren, zeigt nach Ansicht von Johnston auch die (inzwischen umgesetzte) Absicht, Strafzölle auf den Import von Stahl und Aluminium zu erheben. Diese Zölle würden tatsächlich nur die Produkte in den USA verteuern und Arbeitsplätze in der weiterverarbeitenden Industrie gefährden. Auch der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko – eines der zentralen Wahlkampfversprechen – wird allein vom US-amerikanischen Steuerzahler bezahlt werden, wie Johnston anhand der verschiedenen Finanzierungsvarianten aufzeigt. Die Zurückdrängung der Migration werde zudem das Wirtschaftswachstum des Landes um zwei Prozent dämpfen, mit allen Folgen für den Arbeitsmarkt. Zusammengefasst stellt Johnston fest, dass Trump an den US-amerikanischen Arbeitern „Verrat“ (89) begehe.

Die sich damit vertiefende Polarisierung in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wird durch Trump rhetorisch weiter befeuert, wie Johnston unter Hinweis auf die Begnadigung von Joe Arpaio aufzeigt – der ehemalige Sheriff wurde im Juli 2017 wegen der Verletzung von Gerichtsanordnungen verurteilt, in den ihm unterstellten Gefängnissen sind Grundrechte verletzt worden. Trump aber nutzte diesen Kontext, um „von augenzwinkernden Ermutigungen“ zu „offenen Aufrufen zur Missachtung der Gesetze“ (336) überzugehen. Passend dazu konnten sich nach den Ereignissen in Charlotteville, bei denen ein Rechtsradikaler eine Frau absichtlich überfuhr und tötete, die Rassisten in ihrem Handeln durch den Präsidenten bestätigt sehen. Johnston zeigt sich davon nicht überrascht: Ivana Trump habe einst berichtet, dass Trump hin und wieder in einem Buch mit Reden Hitlers lese, er selbst habe das bestätigt.

Wie konnte es zu der Wahl Trumps kommen, der nach Ansicht von Johnston „eine klare und sehr reale Gefahr für die gesamte Welt“ (12) darstellt? „Die Anhänger Trumps rekrutieren sich zu einem großen Teil aus jenen 90 Prozent der Amerikaner, deren Vermögen in den letzten 50 Jahren geschrumpft ist.“ (39) Aus Frustration über die intransparente Politik in Washington zugunsten der Reichen habe Trump mit seinem Versprechen, Amerika wieder groß zu machen und Industriearbeitsplätze zurückzuholen, bei ihnen Gehör gefunden. „Donald Trump ist nicht die politische Krankheit, die Amerika befallen hat, er ist ihr Symptom.“ (412) Statt aber wie versprochen jetzt eine Politik für die breite Bevölkerung zu machen, erfolgen weitere Deregulierungen und ein Staatsabbau zu Ungunsten dieser 90 Prozent der Bürger. Der Politikwissenschaftler Jason Johnson wird mit der Einschätzung zitiert, „dass das Versagen des Kongresses, gegen Trumps Profitgier, seine Machenschaften mit dem Kreml und seine Kriegslüsternheit aufzutreten, Amerika noch lange nach dem Ende dieser Administration schaden wird.“ (415) Die weiteren Folgen sind nicht abzusehen – „Demokratien sterben nicht in einem dramatischen Akt. Sie werden abgetragen wie Sand.“ (414)

 

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Medienschau

DCReport.org
David Cay Johnston hat diese Non-Profit-Newsplattform ins Netz gestellt. Sein Team und er beschreiben ihre Aufgabe so: „Reporting what the President and Congress do, not what they say”. Diese Berichterstattung umfasst wichtige Themen der Regierungsarbeit wie Arbeit, Umwelt, Gesundheit und Außenpolitik, zwei weitere Schwerpunkte sind mit „Ethics“ und „Russia“ überschrieben.

 

Adam Davidson
Donald Trump’s Worst Deal. The President helped build a hotel in Azerbaijan that appears to be a corrupt operation engineered by oligarchs tied to Iran’s Revolutionary Guard
The New Yorker, 13. März 2018

In diesem Beitrag werden die Umstände des Baus von Trump International Hotel & Tower Baku ausgeleuchtet. Ein Beweis für Geldwäsche oder anderes illegales Verhalten direkt durch Donald Trump sei nicht an die Oberfläche gekommen, schreibt der Autor. Allerdings habe die Trump Organization mit dem bis 2017 amtierenden und als korrupt geltenden Transportminister Aserbaidschans Ziya Mammadov und seiner Familie zusammengearbeitet. Diese unterhalte wiederum enge Beziehungen zur Iranischen Revolutionsgarde. Die Trump Organization könnte durch ihre geschäftlichen Aktivitäten in diesem Beziehungsgeflecht den Foreign Corrupt Practices Act von 1977 verletzt haben: „The law even made it a crime for an American company to unknowingly benefit from a partner’s corruption if it could have discovered illicit activity but avoided doing so.”


Rezensionen

Michael Wolff

Feuer und Zorn. Im Weißen Haus von Donald Trump

Aus dem Englischen von Isabel Bogdan, Thomas Gunkel, Dirk van Gunsteren, Gregor Hens, Werner Schmitz, Jan Schönherr, Nikolaus Stingl. Reinbek, Rowohlt Verlag 2018

Nach einem kurzen Gespräch mit Donald Trump, der sich aber gar nicht für sein Buchprojekt interessierte und nicht mehr nachfragte, nahm der Journalist Michael Wolff auf einem Sofa im Weißen Haus Platz, neun Monate lang. Er hörte zu und verband alle Aussagen, egal wie sehr sie sich widersprachen, zu einer Erzählung. Entstanden ist so die ungefilterte Bestandsaufnahme einer chaotischen Präsidentschaft, für deren Gelingen jegliche Voraussetzung fehlt und die mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Amtsenthebung enden wird. Ergänzt wird die Rezension mit einer Medienschau über die Russland-Kontakte Trumps und seines Teams.
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David Cay Johnston

Die Akte Trump

Salzburg, Ecowin 2016

Die Biografie und vor allem das Geschäftsgebaren Donald Trumps haben bereits vor dessen Wahlsieg dem Pulitzer-Preisträger David Cay Johnston als Grundlage gedient, um dessen Persönlichkeit zu enthüllen. Nach der Maxime „Handeln ist Charakter“ (Francis Scott Fitzgerald) kommt er so zu dem Schluss, dass Trump für das Amt des US-Präsidenten gänzlich ungeeignet ist.
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