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Trumps Staatsdemontage. Hinter dem vermeintlichen Chaos verbirgt sich ein strategischer Umbau

19.12.2017
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Dr. Josef Braml

Detroit 2015 Rick Harris WikimediaDie Demontage des Staates wird von einer Steuerreform begleitet, die voraussichtlich einen Anstieg der Staatsverschuldung zur Folge haben wird. Die Handlungsfähigkeit auf Bundesebene wird damit abnehmen. Unklar ist, wie auf diese Weise der versprochene Wirtschaftsaufschwung angeschoben werden soll. Foto: Detroit im Winter 2015 (Rick Harris / https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Detroit(21)_(16663013168).jpg: CC BY-SA 2.0)

 

Wer das Agieren der Trump-Mannschaft an etablierten Vorbildern repräsentativer Demokratien misst, neigt schnell zur Annahme, dass hier eine Regierung auf der Versuchsebene stecken bleibt. Das gilt für viele Bereiche der Innenpolitik (etwa den Versuch Obama-Care abzuschaffen) wie in der Außenpolitik. Doch es ist ein Denkfehler zu folgern, in Washington werde irrational und ohne stringenten Plan regiert: Donald Trump ist unter anderem auch mit dem Ziel angetreten, den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft und das Leben der Menschen so klein wie möglich zu machen. Dafür haben ihn viele seiner Unterstützer zum US-Präsidenten gewählt. Dafür hat ihn die Wirtschaft finanziell gefördert. Und dafür könnte Trump sogar ein zweites Mal gewählt werden – auch wenn sich derzeit hochrangige Wirtschaftsvertreter von ihm distanzieren und seine moralische Ambivalenz zu rassistischen und antisemitischen Strömungen öffentlich verurteilen. Denn so verwerflich und erratisch die Auftritte des Präsidenten auch sind, seine Mission des Staatsabbaus ist klar und sie trifft bei Wirtschaft und Republikanern auf offene Türen.

Beurteilt man Trumps bisherige politische Maßnahmen unter diesem strategischen Ziel, ergeben sie sehr wohl Sinn und Kalkül. Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2018 war ein erstes Indiz für die radikalen Absichten der Trump-Regierung. Im Etat beschnitten wurden weite Einflussbereiche des Staates, darunter die sozialen Hilfsprogramme und der Umweltschutz, die Außen- und Entwicklungspolitik sowie das Personalbudget der Administration. Ausgenommen waren einzig das Militär und die Nachrichtendienste. Mit seinem Haushaltsplan nahm Trump in Angriff, was sein Chefstratege Stephen Bannon unter dem Schlagwort „Rückbau des Verwaltungsstaates“ (deconstruction of the administrative state) angekündigt hatte.

Dieses Unterfangen dürfte nicht einfach werden, denn bislang sind alle Vorhaben misslungen, den Verwaltungsapparat zu verkleinern. So scheiterte Anfang der 1970er Jahre Präsident Richard Nixon (1969–1974) mit seinem Versuch, durch einen radikalen Umbau „anti-präsidiale Nischen“ in der Exekutive zu eliminieren. Mit seinem Dezentralisierungsprogramm des „New Federalism“ wollte eine Dekade später Präsident Ronald Reagan (1981–1989) das „Big Government“ in Washington verkleinern – ohne nachhaltigen Erfolg. Trumps Vorgänger Barack Obama war ebenso bemüht, den Regierungsapparat schlanker und effizienter zu machen. Bereits im Januar 2012 hatte der Präsident den Kongress ersucht, die handelspolitischen Aufgaben von sechs Regierungseinheiten, darunter des Handelsministeriums und des Büros des Handelsbeauftragten, in einer neuen Behörde zusammenzufassen. Doch die symbiotischen Dreiecksbeziehungen, das „eiserne Dreieck“ zwischen den betroffenen Einheiten der Exekutive, der Wirtschafts- und Handelslobby, und den federführenden Ausschüssen im Kongress, haben auch Obamas ehrgeizige Neuorganisation vereitelt.

Angesichts des Scheiterns seiner Vorgänger entschied sich US-Präsident Trump, einen eigenen, nur ihm gegenüber loyalen Beraterstab um sich zu scharen, um in diesem Interessengeflecht seine politische Linie durchzusetzen – nicht zuletzt auch gegenüber der Verwaltung „seiner“ Exekutive. Denn die Auseinandersetzungen in den Reihen der Exekutive sind nicht minder heftig. Auf der einen Seite versuchen die „Männer und Frauen des Präsidenten“ die Politikinitiativen des Weißen Hauses voranzutreiben. Auf der anderen Seite bremst der Verwaltungsapparat sie immer wieder aus. Die relativ autonomen Ministerien und Behörden wollen unabhängig vom jeweiligen Präsidenten und von der jeweiligen parteipolitischen Konstellation ihre eigenen institutionellen Besitzstände wahren.

Um diesen institutionellen Machtkampf zu gewinnen, der mit dem Begriff „bureaucratic politics“ verharmlosend umschrieben wird, hat Donald Trump nicht nur die etablierten Regierungsstrukturen finanziell geschwächt, sondern auch noch eine Art Schattenkabinett aus vertrauten Mitarbeitern im Weißen Haus etabliert: Auf höchster Ebene in die Arbeitsabläufe der Ministerien eingebunden, unterstehen diese Mitarbeiter aber keineswegs dem jeweiligen Minister, sondern dem Stellvertretenden Stabschef im Weißen Haus, Rick Dearborn.4 Dies ist ein Schachzug, der Minister zu Ministranten degradiert und den Abbau des Staates weiter fortsetzt: Außenminister Rex Tillerson etwa, auf dessen moderierenden Einfluss im Weißen Haus westliche Regierungen hoffen, hat nicht einmal die Befugnis, einen Stellvertreter und weiteres wichtiges Personal zu bestimmen.
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Der vollständige Beitrag ist erschienen in: SIRIUS - Zeitschrift für Strategische Analysen, Band 1, Heft 4: https://www.degruyter.com/view/j/sirius.2017.1.issue-4/sirius-2017-0085/sirius-2017-0085.xml?format=INT

 

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