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Marc Schneider

Türkisch-armenische Annäherung? Eine Außenpolitikanalyse

Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2013 (Chemnitzer Schriften zur europäischen und internationalen Politik 5); 147 S.; 65,80 €; ISBN 978-3-8300-6942-3
Wenn sich 2015 der Beginn des Völkermordes an den Armeniern zum 100. Mal jährt, werden sich vermutlich alle Augen auf das armenisch‑türkische Verhältnis richten. Zuletzt war das im Jahr 2009 der Fall. Damals unterzeichneten Vertreter beider Staaten die „Zürich‑Protokolle“, mit denen die Hoffnung auf eine Normalisierung des Verhältnisses verbunden war. Vereinbart wurden die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Öffnung der gemeinsamen Grenze. Diese Dokumente sind jedoch bislang weder von der einen noch der anderen Seite ratifiziert worden. Das Verhältnis sei weiterhin geprägt durch „großes gegenseitiges Misstrauen“, eine geschlossene Grenze und die „Abwesenheit diplomatischer Beziehungen“ (18), konstatiert Marc Schneider einleitend. Welche Gründe hat es überhaupt für das Zustandekommen dieses Abkommens im Jahr 2009 gegeben? Bei der Beantwortung dieser Frage betrachtet der Autor ausdrücklich nur die türkische Seite. Zur Erklärung der türkischen Armenienpolitik berücksichtigt er „sowohl externe als auch interne Faktoren“ (24) und umreißt nicht nur knapp und übersichtlich den historisch‑politischen Kontext dieses angespannten Verhältnisses (Stichworte sind zum Beispiel die Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich oder der Konflikt um Berg‑Karabach). Vielmehr identifiziert er auch die wesentlichen Akteure im internationalen Umfeld (die EU, Russland, die USA sowie Aserbaidschan) und schildert deren Interessenlagen und Einflussmöglichkeiten. Gerade im Lichte der aktuellen politischen Lage erhält dabei das Interesse der Europäischen Union, „den Einfluss Russlands durch die Normalisierung der türkisch‑armenischen Beziehungen zurückzudrängen“ (51), neue Brisanz. Einflüsse auf die türkische Innen‑ wie auch Außenpolitik durch eine Beitrittsperspektive sieht Schneider zwar gegeben, doch „aus Angst vor einem Abdriften der Türkei von der EU werden nicht alle Instrumente zur Beeinflussung der türkischen Armenienpolitik genutzt“ (55). Russland dagegen spiele „alle Akteure geschickt gegeneinander aus“ (69), um seinen Einfluss im Südkaukasus zu sichern. Insgesamt stellt die übersichtlich strukturierte Studie aber – vor allem was die innenpolitische Entwicklung der Türkei sowie die dort maßgeblichen Individuen betrifft – nicht mehr als eine schlaglichtartige Momentaufnahme dar.
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Rubrizierung: 4.222.632.24 Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: Marc Schneider: Türkisch-armenische Annäherung? Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37883-tuerkisch-armenische-annaeherung_45877, veröffentlicht am 11.12.2014. Buch-Nr.: 45877 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken