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Burkhard Liebsch

Unaufhebbare Gewalt. Umrisse einer Anti-Geschichte des Politischen. Leipziger Vorlesungen zur Politischen Theorie und Sozialphilosophie

Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2015; 518 S.; brosch., 49,90 €; ISBN 978-3-95832-075-8
Burkhard Liebsch‘ weit ausholende Auseinandersetzung mit zentralen Positionen der politischen Ideengeschichte ist mindestens von zwei Motiven getragen. Zum einen ist es die Wahrnehmung des Zeitgenossen, der die Gegenwart von der Permanenz einer sich in höchst unterschiedlichen Formen ereignenden Gewalt bestimmt sieht – vom Staatenzerfall und von der Vertreibung Ungezählter über die spekulative Erzeugung von Hungersnöten bis zur vorsätzlichen Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen ganzer Völker. Zum anderen ist es aus politiktheoretischer Perspektive eine entschiedene Kritik an der Art und Weise, in der sich das politische Denken konzeptionell und begrifflich auf die Intuition einer unaufhebbaren Gewalt einstellt. Dieser Einwand gilt in erster Linie für den fachwissenschaftlichen Mainstream, der die Durchsetzung politischer Ordnung mit dem prinzipiellen Ausschluss von Gewalt identifiziert. Dabei wendet sich Liebsch gegen die Überzeugung diskurstheoretischer und deliberativer Ansätze, zunehmende Verrechtlichung innerhalb von Gesellschaften wie zwischen den Staaten sei ein verlässlicher Weg, Gewalt durch Verfahren beherrschbar zu machen. Seine Einwände beziehen sich aber auch auf die Opponenten, die gegen den institutionellen Politikbegriff die Vitalität eines Politischen setzen, das substanziell auf der Austragung von Antagonismen beruht, ohne wirklich plausibel machen zu können, worin denn das spezifisch Politische von Dissensen besteht. Gegen beide Lesarten entwirft Liebsch die Perspektive einer „Anti‑Geschichte des Politischen“ (12) – dies nicht im Sinne der Re‑Aktualisierung eines vermeintlich authentischen (aristotelischen) Politikbegriffs, sondern als Revision der Geschichte politischer Theorien, die im Horizont einer entschieden entgrenzten Welt Antworten sucht auf die gegenwärtigen Herausforderungen, „(a) das, was Andere als solche ausmacht, (b) die Gewalt in ihren vielfältigen Erscheinungsformen und (c) Spielräume politischer Lebensformen zusammen zu denken“ (19). Liebsch‘ Reflexionen beruhen auf einer im Sommersemester 2012 an der Universität Leipzig gehaltenen Vorlesung zur Geschichte des Politischen. Teils sind die Kapitel Überarbeitungen früherer Publikationen des Autors (II: Platon; VII: Nach Heidegger; IX: Sartre; XI: Rancière; XII: Mouffe/Margalit, XIII: Derrida; XV: Ricoeur), teils handelt es sich um Erstveröffentlichungen (I: Einleitung; III: Aristoteles; IV: Machiavelli; V: Hobbes/Rousseau; VI: Kant/Hegel/Clausewitz; VII: Schmitt; X: Arendt; XIV: Nancy; Epilog).
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Rubrizierung: 5.15.35.425.46 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Burkhard Liebsch: Unaufhebbare Gewalt. Weilerswist: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40143-unaufhebbare-gewalt_47707, veröffentlicht am 03.11.2016. Buch-Nr.: 47707 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken