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Herbert Küpper / Zsolt K. Lengyel / Hermann Scheuringer (Hrsg.)

Ungarn 1989-2014. Eine Bilanz nach 25 Jahren

Regensburg: Friedrich Pustet 2015; 200 S.; kart., 29,95 €; ISBN 978-3-7917-2742-4
1989 öffnete Ungarn für wenige Stunden seine Grenze nach Österreich. Hunderten DDR‑Bürgern wurde so die Flucht in den Westen ermöglicht. Anlässlich des 25. Jahrestages dieser Grenzöffnung fand in Regensburg 2014 die Tagung „25 Jahre. Ungarn und seine Nachbarn 1989‑2014. Eine Bilanz“ (7) statt. Die Beiträge wurden nun, unterstützt vom Ungarischen Institut München und unter Mithilfe des ungarischen Nationalen Kulturfons, als Sammelband veröffentlicht. Hendrik Hansen, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Budapest, kritisiert, dass die „durchschnittliche Medienberichterstattung in Deutschland“ (24) die Entwicklung des politischen Systems in Ungarn in seiner Komplexität nicht korrekt darstelle. Die Kritik an der Einführung eines neuen Mediengesetztes sieht er als übertrieben an. Problematischer für die Rechtsstaatlichkeit sei die Geschwindigkeit, in der eine Vielzahl neuer Gesetze beschlossen worden sei, diese seien „oftmals mit gravierenden Fehlern behaftet“ (32). „Ungarn ist gewiss keine Diktatur“ (24), betont der Autor. Er kritisiert jedoch das stark polarisierte Parteiensystem, ein dominantes „Freund‑Feind‑Denken“ (35) sowie das verbreitete Geschichtsbild, „dass es zum Schicksal der ungarischen Nation gehöre, sich gegen äußere Gegner erwehren zu müssen“ (36). Ralf Thomas Göllner widmet sich der ungarischen Minderheitenpolitik seit 1990. Der in der Verfassung von 1989 verankerte Minderheitenschutz „war trotz einiger Schwächen schlüssig“ (114), schreibt der Autor. Auch nach dem Regierungswechsel 2010, der Viktor Orbán an die Macht brachte, sei „die ungarische Minderheitenpolitik insgesamt weitgehend konstant“ (98) geblieben. Georg Paul Hefty, FAZ‑Redakteur, sieht Mahnungen aus dem Ausland kritisch, die der neuen Regierung vorwerfen „Antiziganismus regierungsamtlich“ (186) zu dulden. Er beschreibt die prekäre soziale Lage „dieser wachstumsstarken ethnischen Minderheit“ (186) und erklärt, es sei „der Solidarität der Zigeuner mit ihren angestammten Staaten zu verdanken, dass daraus keine tätlichen Unruhen entstanden sind“ (186, das Wort Zigeuner ist im Buch kursiv gestellt). Europa fehle ein Konzept, diesen Missständen zu begegnen. Statt „milliardenschwere[.] Bildungs‑ und Beschäftigungsprogramme[.]“ (186) zu beschließen, habe man postuliert, dass „Zigeuner, Gypsy oder Gitane [nun] Roma zu nennen“ (186) seien. Ein Roma‑Konzept sei in der EU erst unter der Ratspräsidentschaft Ungarns beschlossen worden, so Hefty. Der Blick der Autoren auf Ungarn fällt insgesamt auffallend wohlwollend aus.
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Rubrizierung: 2.612.212.232.2633.74.214.22 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Herbert Küpper / Zsolt K. Lengyel / Hermann Scheuringer (Hrsg.): Ungarn 1989-2014. Regensburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39776-ungarn-1989-2014_48131, veröffentlicht am 23.06.2016. Buch-Nr.: 48131 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken