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Michael Schefczyk

Verantwortung für historisches Unrecht. Eine philosophische Untersuchung

Berlin/New York: Walter de Gruyter 2012 (Ideen & Argumente); XIII, 468 S.; hardc., 64,95 €; ISBN 978-3-11-024577-6
Philosoph. Habilitationsschrift Zürich. – Die Studie ist in mindestens zweierlei Hinsicht ganz erstaunlich. Zunächst nehmen wir überrascht zur Kenntnis, dass das Werk nach Angaben des Verfassers in der Buchinformation die erste größere philosophisch-systematische Untersuchung zur Verantwortung für historisches Unrecht seit Karl Jaspers’ „Die Schuldfrage" von 1946 sei. Zum zweiten besticht die Arbeit durch die begriffliche Klarheit, Präzision und Nüchternheit, mit der dieses politisch so umkämpfte Feld der Geschichtspolitik hier analysiert wird. Es handelt sich also um praktische Philosophie im besten Sinne des Wortes. Naheliegenderweise fragt Schefczyk im ersten Teil der Arbeit danach, was historisches Unrecht denn eigentlich ist. Die hier vorgenommene Unterscheidung von historischem Unrecht und historischem Übel anhand des Kriteriums der moralischen Kompetenz vermag zu überzeugen. Im zweiten Kapitel erfolgt eine Typologisierung des Begriffs Verantwortung. Anschließend setzt sich der Autor mit dem Problem des Verantwortungsindividualismus und der kollektiven Schuld auseinander. Mit der „Irrtumstheorie der moralischen Kollektivschuld“ (176) plädiert er für einen engen Begriff von Schuld, die immer auf einer konkreten Pflichtverletzung beruht. Im letzten Kapitel fragt Schefczyk nach Formen und Pflichten der Wiedergutmachung historischen Unrechts. Hier ist insbesondere die temporale Dimension der Rechte auf Wiedergutmachung von Belang: „Der festen Überzeugung, dass das Verstreichen von Zeit einen Unterschied macht, steht die Unsicherheit bei der Fixierung der konkreten Frist gegenüber.“ (309) Im Zuge einer Zwei-Stufen-Interpretation unterscheidet Schefczyk zwischen den Ansprüchen von Opfern und Betroffenen: „Reparationspflichten gegenüber den Opfern historischen Unrechts haben im Zeitablauf ein konstantes absolutes Gewicht. Die Nichterfüllung einer solchen Pflicht stellt ein zusätzliches Unrecht dar. […] Reparationspflichten gegenüber den Betroffenen folgen aus den Rechten der Opfer; ihr Gewicht nimmt im Zeitablauf ab.“ (311)
Sebastian Lasch (LA)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.1 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Lasch, Rezension zu: Michael Schefczyk: Verantwortung für historisches Unrecht. Berlin/New York: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34915-verantwortung-fuer-historisches-unrecht_41981, veröffentlicht am 24.05.2012. Buch-Nr.: 41981 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken