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Ellen Bos / Kálmán Pócza (Hrsg.)

Verfassunggebung in konsolidierten Demokratien. Neubeginn oder Verfall eines politischen Systems?

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Andrássy Studien zur Europaforschung 13); 382 S.; brosch., 69,- €; ISBN 978-3-8487-0999-1
Im Januar 2012 trat eine neue ungarische Verfassung in Kraft, die von der nationalkonservativen Regierung mit ihrer Zweidrittelmehrheit gegen die Stimmen der Opposition beschlossen worden war. Dieses Ereignis bot den Anlass für eine Konferenz im April 2013 an der Andrássy Universität in Budapest, die sich – über das ungarische Beispiel hinaus – mit der Bedeutung von Verfassungsgebung und Verfassungsreformen nicht in Transitionssituationen, sondern in konsolidierten Demokratien beschäftigte. Der Band enthält die Beiträge der Veranstaltung, die vier Teilen zugeordnet sind. Zunächst geht es um theoretische Überlegungen zur Verfassungsgebung. Die Autor_innen thematisieren fast durchweg die Bedeutung des gegenseitigen Vertrauens als deren Bedingung. Im zweiten Teil wird auf ganz unterschiedliche Verfassungsgebungs‑ und ‑reformprozesse eingegangen. Der Blick geht über Ostmitteleuropa hinaus; so wird beispielsweise auch die Ausarbeitung einer isländischen Verfassung durch eine Loskammer thematisiert. Im Mittelpunkt des dritten Teils steht die neue ungarische Verfassung. Kálmán P Ócza erinnert daran, dass diese nicht nur ein Gesetzestext sei, sondern auch ein Zeichen dafür, dass die politische Konsolidierung durch die nicht‑konsensuelle Verfassungsgebung gescheitert sei. Herbert Küpper kommt ganz ähnlich zu dem Befund, dass sich im Staatsorganisationsrecht wenig geändert hat im Vergleich zur Vorgängerverfassung, die Regierung Orbán aber insgesamt mit zahlreichen Änderungen einen „an das Kádár‑Regime erinnernde[n]“ (263) Umgang mit dem Verfassungsrecht pflege. Bedürfnisse der Tagespolitik führten ohne Hemmungen zu Verfassungsänderungen. Im Mittelpunkt des vierten Teils steht die politische Kultur Ungarns. Gábor T Óka untersucht das neue Wahlgesetz und gelangt zu dem Ergebnis, dass dieses zwar die Regierungspartei Fidesz faktisch bevorzuge, seine demokratische Qualität aber dennoch nicht zu beanstanden sei. Schließlich befasst sich Ferenc Hörcher mit dem der Verfassung zugrunde liegenden Wertesystem – eine Frage, die nach Viktor Orbáns Aussage, eine ‚illiberale‘ Demokratie aufbauen zu wollen, noch an Brisanz gewonnen hat.
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Rubrizierung: 2.212.612.322.325 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Galka, Rezension zu: Ellen Bos / Kálmán Pócza (Hrsg.): Verfassunggebung in konsolidierten Demokratien. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38462-verfassunggebung-in-konsolidierten-demokratien_46591, veröffentlicht am 28.05.2015. Buch-Nr.: 46591 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken