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Corinne Duc

Verfassungsgerichtsbarkeit im Fokus der deliberativen Demokratie. Unter besonderer Berücksichtigung der Frage der Vereinbarkeit umfassenderer Formen der Verfassungsgerichtsbarkeit mit direktdemokratischen Verfahren nach dem Modell der schweizerischen halbdirekten Demokratie

Marburg: Tectum Verlag 2015 (Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Politikwissenschaften 63); 290 S.; pb., 39,95 €; ISBN 978-3-8288-3547-4
Diss. Aachen. – Es handelt sich um eine politikwissenschaftliche Arbeit zum klassischen Problem von Verfassungsgerichtsbarkeit und Demokratie, untersucht vor allem anhand der halbdirekten Demokratie der Schweiz, deren Bundesgericht nur unvollständige Kompetenzen hat. Die (Schmitt‘sche) These von der Unvereinbarkeit weist die Autorin zurück, ein Spannungsverhältnis wird aber vor allem beim Verfassungswandel gesehen: In pluralistischen Demokratien, die keine endgültigen Wahrheiten kennen, ist das Letztentscheidungsrecht einer verfassungsgerichtlichen „Deutungsmacht“ (Vorländer) – wie zum Beispiel vom Bundesverfassungsgericht im „Lissabon‑Urteil“ reklamiert – aus Sicht der Legitimation problematisch; andererseits bergen gerade Volksinitiativen die Gefahr eines Verstoßes gegen verfassungsrechtlich verbürgte liberale Standards. Corinne Duc sucht daher nach vermittelnden Mechanismen, sodass „(halb‑)direktdemokratische Verfahren vermehrt deliberative Züge annehmen und sich in öffentliche, durch Verfassungsrechtsprechung zugleich mitgestaltete [...] Auseinandersetzungen und Beratungen [...] stärker einbinden ließen“ (15). Die Schweiz wird gewählt, weil sie in puncto „direkt‑demokratischer Partizipationsform [...] als die am weitesten entwickelte gilt“, zugleich aber bei der neuen Bundesverfassung „Probleme des Verfassungs‑ bzw. Grund‑ und Völkerrechtsschutzes offenbar“ (19) wurden (zum Beispiel hinsichtlich des sogenannten Minarettverbots). Duc sieht gerade in der teilweisen Stärkung der beiden auf den ersten Blick gegensätzlichen Elemente eine Lösung; sie schlägt daher für die Schweiz einerseits sogar den Ausbau verfassungsgerichtlicher Kontrolle durch „die Einrichtung eines (höchstinstanzlichen) Bundesverfassungsgerichts“ vor; zugleich aber wird „dessen Entscheidungsbefugnis durch ein Vetorecht des Parlaments in der repräsentativ‑abstrakten Kontrolle eingeschränkt“ und dies wiederum „durch die Begründungspflicht auf die Teilnahme an einem öffentlichen argumentativen Diskurs zurückgebunden“ . Letzteres soll durch die Vorschaltung einer neuen „Evaluations‑ und Beratungsstelle für Demokratie, Verfassungs‑ und Völkerrecht“ (257) geleistet werden.
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Rubrizierung: 2.214.12.5 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Corinne Duc: Verfassungsgerichtsbarkeit im Fokus der deliberativen Demokratie. Marburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39495-verfassungsgerichtsbarkeit-im-fokus-der-deliberativen-demokratie_48021, veröffentlicht am 03.03.2016. Buch-Nr.: 48021 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken