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Hans Herbert von Arnim

Vom schönen Schein der Demokratie. Politik ohne Verantwortung - am Volk vorbei

München: Droemer Knaur 2000; 391 S.; geb., 22,96 €; ISBN 3-426-27204-0
Der Autor fragt, wie der eklatante und mit den Prinzipien einer Demokratie unvereinbare Mangel an zurechenbarer Verantwortung, den er dem deutschen politischen System attestiert, zu beheben sei. Diesen Mangel führt von Arnim auf den Föderalismus zurück. Dieser bewirke eine Entmachtung der Parlamente und eine Lähmung der Politik. Als Lösung schlägt er eine Verankerung direktdemokratischer Elemente in der Verfassung der Bundesrepublik vor. Die Föderalismuskritik und die Reformvorschläge von Arnims wurden bereits an anderer Stelle (siehe den Aufsatz von Michael Haus in ZPol, 3/00: 943-966) einer Prüfung unterzogen. Dem ist nur hinzuzufügen, dass das nun vorliegende Buch eigentlich nur eine Variation des Hauptthemas von Arnims ist. Denn den Mangel an zurechenbarer Verantwortung, den er neuerlich beschreibt, führt er in letzter Konsequenz auf die Eigeninteressen der "Berufspolitiker" zurück (34), an die Macht zu gelangen. Die Masse der Abgeordneten jedoch habe, weil sie keinen oder nur einen sehr geringen Einfluss auf die staatlichen Entscheidungen besitze, ein anderes Interesse. Für diese Akteure sei das Versorgungsinteresse vorrangig; und da dieses Interesse allen Berufspolitikern - also den Hinterbänklern der Regierungsparteien und den Angehörigen der jeweiligen Opposition auf allen Ebenen des Bundesstaates gleichermaßen - gemeinsam sei, gebe es in der Praxis statt Konkurrenz eine Kooperation dieser Akteure in der Verfolgung ihres Versorgungsinteresses (35). Daher spricht von Arnim von der "politischen Klasse", die das zentrale Phänomen hinter den beklagten Dysfunktionen des Föderalismus sei (35). Dieser Vorwurf ist in dieser pauschalen und generalisierenden Form überzogen und unhaltbar. Inhaltsübersicht: 1. Politik ohne Verantwortung - Regieren am Volk vorbei: 1. Reformblockade: Das Versagen der Institutionen; 2. Deutschland im Umbruch; Der Maßstab: Regieren durch das Volk und für das Volk; 4. Ungelöste Probleme, entmündigte Bürger; 5. Die fiktive Demokratie; 6. Wer den Staat beherrscht und warum; 7. Berufspolitiker: Statussicherung durch Ausschalten der Verantwortung; 8. Schluß: Rückbindung der Politik an die Bürger. 2. Aus Scheu vor der Verantwortung: Fortschreitende Selbstauflösung der Bundesländer: 9. Einleitung: Der Föderalismus hält nicht, was er verspricht; 10. Ein Lehrstück in Macht- und Statuspolitik: Wie die kommunale Gebietsreform durchgesetzt und die Neugliederung der Länder verhindert wurde; 11. Ländersache erster Teil: Preisgabe der eigenen Gesetzgebung; 12. Ländersache zweiter Teil: Gestaltungsverlust bei Verwaltung und Steuern; 13. Ländersache dritter Teil: Nur kein Risiko - Flucht in Absprachen auf allen Ebenen; 14. Ländersache vierter Teil: Konsequente Entmündigung; 15. Die Folgen der Machtverschiebung; 16. Modell Deutschland? - Föderalismus und Europäische Union; 17. Auf dem Prüfstand: Selbständigkeit, Leistungsstärke, Handlungsfähigkeit der Länder; 18. Was bleibt vom Sinn des Föderalismus?; 19. Die Mär vom zwangsläufigen Verfall des Föderalismus; 20. Die Eigeninteressen der politischen Klasse; 21. Das Volk als Gegengewicht?; 22. Warum überhaupt noch Länder?; 23. Schlußbemerkung: Die Mängel des Systems am Zustand des Bundesstaats erkennen. 3. Regieren ohne Kontrolle - Wie die Bürger von der Macht ferngehalten werden: 24. Vorbemerkungen: Geht alle Staatsgewalt vom Volke aus?; 25. Einwände und Vorurteile gegen mehr direkte Demokratie; 26. Die Angst der Deutschen vor dem Volk und das Finanztabu; 27. Was genau ist "direkte Demokratie"?; 28. Wie funktionieren direktdemokratische Entscheidungsverfahren?; 29. Ausgehebelt: Ist direkte Demokratie unerwünscht?; 30. Darf das Volk oder darf es nicht? - Streit um Verfassungsänderungen in Hessen und Nordrhein-Westfalen; 31. Rolle rückwärts in Bayern?; 32. Belebung des politischen Wettbewerbs: Mit direkter Demokratie zur Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten; 33. Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene: Eckpunkte der anstehenden Entscheidung; 34. Blick über die Grenzen: Halbdirekte Demokratie in der Schweiz und den USA; 35. Die Europäische Union - ein Fall für mehr direkte Demokratie?; 36. Leistung entscheidet: Repräsentative und halbdirekte Demokratie im Vergleich.
Sven Christian Singhofen (SCS)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaft (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.325 | 2.32 | 2.331 | 2.3 Empfohlene Zitierweise: Sven Christian Singhofen, Rezension zu: Hans Herbert von Arnim: Vom schönen Schein der Demokratie. München: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/12097-vom-schoenen-schein-der-demokratie_14442, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14442 Rezension drucken