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Gero Jenner

Von der Krise ins Chaos. Wann kommt der finale Crash?

Wien: Signum Verlag 2012; 255 S.; Ln., 22,99 €; ISBN 978-3-85436-429-0
Um sich in der gegenwärtigen Krisenliteratur Gehör zu verschaffen, gilt offenbar die altbewährte Methode „höher, schneller, weiter“. Bereits die fetten roten Lettern auf dem Cover verheißen in dieser Hinsicht nichts Gutes. Daran ändert auch nicht die Feststellung des Autors, dass es sich angesichts seiner Auseinandersetzung mit „Lügnern, Versagern, Getriebenen, Machtmenschen und Verführbaren“ in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise um eine „einseitige Perspektive“ handelt. Diese sieht er gerechtfertigt, weil sie die „Einstellung jener 90 Prozent der Bevölkerung“ widerspiegele, die „unter der Politik der vergangenen 20 Jahre zu leiden hatten“ (9). Bereits diese Aussage – ohne jegliche Quellenangabe – gibt einen Eindruck davon, wie Jenner auf den folgenden 250 Seiten fortfährt: Eine maßgebliche Schuld an der gegenwärtigen Krise schreibt er dem „Versagen der Politik im Kapitalismus“ (14) zu. Insofern lesen sich seine Ausführungen wie eine Abrechnung mit sämtlichen relevanten politischen Institutionen und Akteuren sowie den bestehenden Strukturen des globalen Wirtschaftssystems. So stellt Jenner beispielsweise pauschal und ohne jede weitere Konkretisierung fest, dass „das Großmachtdenken […] der Brüsseler Kommission längst zu Kopf gestiegen“ (30) sei. Ohne jegliche empirische Untermauerung kommt auch die Feststellung aus, dass sich beim Schuldenmachen die Politiker der Nationalstaaten „gern am Verhalten ihrer Kollegen in konkurrierenden Staaten ausrichten“ (48) würden. Für seine Argumentation und die zur Untermauerung herangezogenen Daten bemüht Jenner unter anderem Thilo Sarrazin, Paul Krugman, Michael Hudson, FAZ und Financial Times Deutschland sowie frühere eigene Publikationen. Die Perspektiven, die Jenner zur Lösung der gegenwärtigen Krise entwickelt, fallen mit rund vier Seiten recht schmal aus. Dabei wendet er sich mit Blick auf den notwendigen Abbau der bestehenden Verbindlichkeiten der öffentlichen Haushalte gegen eine Ausweitung der Geldmenge und die damit verbundene Inflation, weil davon naturgemäß die schwächeren Einkommensgruppen betroffen wären. Mit Verweis auf Argentinien plädiert Jenner stattdessen für den „Weg eines Schuldenerlasses“. Damit meint er eine sozial verträgliche „Reduktion der großen Vermögen (Guthaben)“ (210). Auf diese Weise könne die ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands beseitigt werden. Insgesamt dürfte die Polemik von Jenners Analyse dazu beitragen, dass sich vor allem die Politik nur bedingt für den zweifelsfrei notwendigen Diskurs über derart abstrakte Utopien öffnet.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.2 | 4.43 | 2.61 | 3.5 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Gero Jenner: Von der Krise ins Chaos. Wien: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34992-von-der-krise-ins-chaos_42094, veröffentlicht am 28.06.2012. Buch-Nr.: 42094 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken