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Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.)

Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?

Berlin: Duncker & Humblot 2005 (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 35); 377 S.; 54,- €; ISBN 3-428-11868-5
Dieser für Politikwissenschaftler interessante und ertragreiche Sammelband dokumentiert eine im besten Sinne interdisziplinäre Tagung des Münsteraner SFB 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution“ vom Oktober 2003, auf der der Versuch unternommen wurde, eine erste Verständigung über Konzepte und Ansätze einer Kulturgeschichte des Politischen zu erzielen. Nach Auffassung der Herausgeberin könne als gemeinsame Perspektive einer solchen Kulturgeschichte des Politischen gelten, dass „historische Phänomene immer als Ergebnisse von (impliziten oder expliziten) Sinnzuschreibungen, Geltungsbehauptungen und Deutungskonflikten der Akteure“ (12) beschreibbar seien. Eine solche Perspektive unterscheidet sich von der herkömmlichen Ereignis- und Strukturgeschichte insoweit, als es um „Rekonstruktion von Diskursen, Praktiken und Objektivationen“ geht, „in denen sich die zeitgenössischen Bedeutungsstrukturen greifen lassen, ohne die wiederum die zeitgenössischen Macht- und Herrschaftsstrukturen nicht angemessen zu verstehen sind“ (13). Damit wird ein Verständnis des Politischen konzipiert, das zu erheblichen Teilen mit Ansätzen der Politikwissenschaft kompatibel ist, die aus dem Bereich des Institutionalismus kommen. Denn die Ordnungsleistung von Institutionen, Symbolen und Deutungen wurzelt in ihrer kulturell vermittelten Fähigkeit, verbindliche Sinnzuschreibungen und Handlungsanleitungen für die Akteure in bestimmten historischen Situationen bereitzustellen. Dieser Aspekt der Handlungsleitung ist ein Kernstück des Institutionalismus, in dem es stets um das Verhältnis freier Entscheidung einerseits und Entscheidungssteuerung durch Institutionen andererseits geht. Insofern ist eine Kulturgeschichte des Politischen im hier vorgetragenen Sinn eine Geschichte, die direkt zum erklärungsrelevanten „hot spot“ der Politik in ihren drei Dimensionen Politics, Policy und Polity führt und sich im Übrigen gerade für die gelegentlich etwas ahistorisch daherkommenden Varianten des so genannten historischen Institutionalismus als Frischzellenkur anbietet, wie die zahlreichen Fallstudien des Bandes zeigen.
Roland Lhotta (RL)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 2.311 | 2.22 | 2.23 | 5.42 | 2.5 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Roland Lhotta, Rezension zu: Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.): Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? Berlin: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/24282-was-heisst-kulturgeschichte-des-politischen_27986, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 27986 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken