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Gesine Schwan / Robert Menasse / Hauke Brunkhorst

Weil Europa sich ändern muss. Im Gespräch

Wiesbaden: Springer VS 2015; 118 S.; 29,99 €; ISBN 978-3-658-01391-2
Das kleine Bändchen möchte Impulse für Europa geben, in einer Zeit, da die Frage nach einem möglichen Auseinanderfallen der EU längst in den medialen und politischen Mainstream‑Debatten angekommen ist. Die Gesprächspartner – drei Intellektuelle, die die Debatten über die EU seit Längerem prominent begleiten und kommentieren – könnten kaum unterschiedlicher sein. Neben der eher kritischen Gesine Schwan und dem entschiedenen Hauke Brunkhorst kommt Robert Menasse zu Wort, der sich mit seinem Buch „Der Europäische Landbote“ 2012 als Fürsprecher der europäischen Idee bekannte (siehe Buch‑Nr. 42865). Besonders markant fällt aber der Gegensatz zwischen den beiden Erstgenannten und dem Vorwort von Wolfgang Schäuble aus, der feststellt, dass sich Europa in der Tat ändern, „aber sich selbst dabei treu bleiben“ (7) müsse. Damit begründet er das von der Bundesregierung verfolgte Credo, dass es Hilfe „nur zur Selbsthilfe“ und „Solidarität nur gegen Solidität“ (8) gebe. Genau gegen diese, damit in neoklassischer Reinform gerechtfertigte Austeritätspolitik stemmt sich Brunkhorst, wenn er zu Recht feststellt, dass „der Staat mit seinen Rieseninvestitionen […] einer der größten ökonomischen Akteure“ sei. Insofern sei es nicht nur legitim, „sondern eine ökonomische Notwendigkeit“ (90), dass er Schulden mache. Brunkhorst wird aber noch grundsätzlicher. So richtet er sich auch gegen eine Diskussionskultur in der EU, in der systemische Alternativen zum existierenden Wettbewerbsrecht sowie zum Zentralbankregime faktisch nicht mehr debattiert würden. Schwan deutet die gegenwärtige Krise der EU in einer noch weiter gefassten Interpretation als „politisch‑kulturelle Krise“ (30), die in einer „flächendeckende[n] Verantwortungslosigkeit“ (31) gründe. Vor diesem Hintergrund macht sie sich Gedanken über das Bildungssystem und die Vernachlässigung spezifischer Fächer und Inhalte in Schulen und Universitäten, die letztlich auch zu einer Deformation der Verantwortungselite beigetragen hätten. Auch mit Blick auf die Finalität der EU wagt Schwan den großen Ausblick. So spricht sie sich für eine Union mit Großbritannien und der Türkei aus. Menasse hebt – wie auch Schwan und Brunkhorst – auf die notwendige Intensivierung einer diskursbasierten Vermittlung der EU‑Politiken und ‑Institutionen ab. Interessant ist, dass er in diesem Kontext einen Nexus zwischen der Demokratiequalität, einem eigenen Budget der EU sowie einer europäischen Sozialpolitik herstellt. Aus politisch‑praktischer Perspektive mögen sich solche Vorschläge nach Spinnereien aus dem akademisch‑intellektuellen Elfenbeinturm anhören. Gleichwohl sind sie gerade in der gegenwärtigen Situation der EU unverzichtbar.
{HS}
Rubrizierung: 3.1 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Gesine Schwan / Robert Menasse / Hauke Brunkhorst: Weil Europa sich ändern muss. Wiesbaden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39550-weil-europa-sich-aendern-muss_46688, veröffentlicht am 24.03.2016. Buch-Nr.: 46688 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken