Wirkung politischer Stellungnahmen von Wissenschaftlern am Beispiel der Göttinger Erklärung zur atomaren Bewaffnung
Geschichtswiss. Diss. Karlsruhe; Gutachter: R.-J. Gleitsmann. - Rese liefert eine Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Erklärung der achtzehn deutschen Atomphysiker gegen die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik aus dem Jahr 1957. Dazu zeichnet sie zunächst den allgemeinen politischen Hintergrund der Debatte um die Wiederbewaffnung nach, um dann die Erklärung als solche zu analysieren und die Reaktionen von Bundesregierung, Oppositionsparteien und öffentlicher Meinung nachzuzeichnen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf weiteren erläuternden Stellungnahmen einzelner Mitunterzeichner des Dokuments sowie der Darstellung des auf der Göttinger Erklärung basierenden außerparlamentarischen Widerstands gegen die Atombewaffnung. Rese sieht die Erklärung als "Initialzündung" (204) für die politische Sensibilisierung der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit in der Frage der Atompolitik: "Die aufklärerische Position und die ethischen Postulate der naturwissenschaftlichen Experten hoben die Atombewaffnung aus der Ebene der technischen Detail- und Rüstungsbetrachtung auf die Ebene der politischen Grundsatzfrage." (217) Gleichwohl weist sie darauf hin, daß die politischen Rahmenbedingungen des Kalten Krieges der Ablehnung atomarer Waffen Grenzen setzte, was auch in der letztlich mangelnden Unterstützung der auf Ablehnung insistierenden SPD bei der Bundestagswahl deutlich wurde. Reses Gesamturteil trägt aber auch unverkennbar kritische Züge: So problematisiert sie etwa die in der Erklärung enthaltene Trennung zwischen "friedlicher" und "militärischer" Nutzung der Atomenergie. Darüber hinaus verweist sie auf die auch von Carl Friedrich von Weizsäcker (den sie als Hauptinitiator der Erklärung ausmacht) vorgenommene Differenzierung, wonach die Strategie der abgestuften Abschreckung im Gegensatz zur Doktrin massiver Vergeltung durchaus ihre politische Berechtigung haben könnte.