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Jakob Kellenberger

Wo liegt die Schweiz? Gedanken zum Verhältnis CH – EU

Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung 2014 (NZZ Libro); 253 S.; geb., 34,- €; ISBN 978-3-03823-929-1
Mitten in Europa liegt die Schweiz – geografisch ist die titelgebende Frage zweifellos leicht zu beantworten. Deutlich schwieriger ist die Antwort darauf, wie sich das Land seit Jahrzehnten politisch gegenüber dem Projekt der europäischen Einigung positioniert. Der frühere Schweizer Chefdiplomat und Staatssekretär a. D. Jakob Kellenberger ist besorgt und befremdet, dass die Schweiz und ihre Bürger gegenüber den verschiedenen Formen der europäischen Zusammenarbeit unverändert tendenziell eher distanziert und misstrauisch eingestellt sind. Dies war schon gegenüber dem 1949 gegründeten Europarat der Fall, dem die Schweiz erst 1963 nach langem Zögern beitrat. Der Schwerpunkt der Kooperation mit den europäischen Nachbarn war und ist wirtschaftlich, vor allem auf der Basis von Freihandelsvereinbarungen. In den 1990er‑Jahren lehnte die Schweiz allerdings, anders als beispielsweise Norwegen, die Teilnahme am weiterführenden Projekt eines Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ab und beharrte auf den Abschluss sektorieller bilateraler Abkommen mit der EU. In seinem Essay diskutiert Kellenberger die historischen Motive für dieses Abseitsstehen, wobei er den Schwerpunkt der Betrachtung auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg legt. Kritisch untersucht er die möglichen alternativen Optionen der Schweiz gegenüber der EU, speziell die Assoziation, ein Rahmenabkommen sowie einen bislang nicht infrage kommenden Beitritt zur EU. Um den Hintergrund des Abseitsstehens der Schweiz auszuleuchten, reflektiert der Autor die relevanten Begriffe der europapolitischen Diskussion, die gerne gegen einen möglichen EU‑Beitritt ins Feld geführt werden: unter anderem sind dies die Themen Souveränität, Neutralität, Gute Dienste, die Unabhängigkeit, die Furcht vor „fremden Richtern“ und vor dem „EU‑Superstaat“ – was Länder vergleichbarer Größe wie Österreich allerdings nicht von einem EU‑Beitritt abgehalten hat, ermöglicht doch alleine dieser die gleichberechtigte Mitgestaltung in der EU, so die Argumentation Kellenbergers. Als Grund für das Beharren auf diesen vorgeblichen Beitrittshindernissen nennt er die zur Identität gewordene „ungestillte Sonderfallsehnsucht“ (132) der Eidgenossen. In seinem abschließenden Plädoyer für eine Neuorientierung der Schweiz unterstreicht Kellenberger die Leistungen und Erfolge der europäischen Einigung, vor allem anderen die Schaffung einer Friedens‑ und Wertegemeinschaft zwischen den Mitgliedstaaten der EU. In einer globalisierten Welt mit erhöhter gegenseitiger Abhängigkeit der Staaten stellt sich so auch für die Schweiz die Frage nach dem „richtigen Ort in Europa“ (185) in neuer Weise.
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Rubrizierung: 2.5 | 3.1 | 3.6 | 3.5 | 3.7 Empfohlene Zitierweise: Burkard Steppacher, Rezension zu: Jakob Kellenberger: Wo liegt die Schweiz? Zürich: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38093-wo-liegt-die-schweiz_46271, veröffentlicht am 19.02.2015. Buch-Nr.: 46271 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken