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Berthold Vogel

Wohlstandskonflikte. Soziale Fragen, die aus der Mitte kommen

Hamburg: Hamburger Edition 2009; 348 S.; 25,- €; ISBN 978-3-86854-200-4
Gesellschaftswiss. Habilitationsschrift Kassel. – Nimmt man die alltagsnahen Selbstbeobachtungen unserer Gesellschaft ernst, dann breiten sich in den Mittelschichten Ängste vor Einkommenseinbußen und sozialem Abstieg aus. Die etablierte Soziologie jedoch hat diese Tendenzen bisher überwiegend ignoriert. Während auf der einen Seite eine die Validität empirischer Daten betonende Sozialstrukturanalyse die langfristige Kontinuität sozialer Schichtungen behauptet, prognostiziert der neue Ungleichheitsdiskurs eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft zwischen Integrierten und dauerhaft Ausgegrenzten. Angesichts dieser Diskussionslage hat die Arbeit von Vogel zwei wesentliche Verdienste. Zunächst macht er plausibel, in welcher Weise eine statistisch-quantifizierende Soziologie relevante Aspekte sozialer Ungleichheit methodologisch ausblendet, die sich im Zusammenspiel von institutionellem Wandel und kollektiven Mentalitäten ergeben, ohne schon auf der Ebene aggregierter Datenreihen erkennbar zu sein. Vogel plädiert dagegen für einen Typus interpretativer Soziologie, der Zeitdiagnostik und konzeptionell-theoretische Deutung verknüpft. In dieser Perspektive setzt er sich dann intensiv mit Auswirkungen auseinander, die sich aus dem Funktionswandel des Wohlfahrtsstaates für die sozialen Chancen von Mittelschichten ergeben. Die vielfach beschriebene Transformation vom vorsorgenden zum gewährleistenden Wohlfahrtsstaat ist Reaktion auf Prozesse der ökonomischen Restrukturierung, die nicht nur das Segment der industriellen Arbeit, sondern ebenso das der öffentlichen Dienstleistungen tief greifend erschüttert haben. Vogel arbeitet zumal die Konsequenzen für den öffentlichen Sektor heraus. Die damit eingeleitete Schwächung der Institutionen kollektiver Daseinsvorsorge gehen nicht nur zulasten der bisher aufstiegsgewohnten Mittelschichten. Deshalb sollten wir uns – so Vogel – auf soziale Konflikte aus der Mitte der Gesellschaft einstellen; und sie werden nicht allein Verteilungsfragen, sondern ebenso Fragen einer gerechten Ordnung des Sozialen betreffen.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.35 | 2.3 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Berthold Vogel: Wohlstandskonflikte. Hamburg: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30561-wohlstandskonflikte_36292, veröffentlicht am 02.09.2009. Buch-Nr.: 36292 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken