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Christian Brütt

Workfare als Mindestsicherung. Von der Sozialhilfe zu Hartz IV. Deutsche Sozialpolitik 1962 bis 2005

Bielefeld: transcript Verlag 2011; 392 S.; 29,80 €; ISBN 978-3-8376-1509-8
Diss. phil. Fakultät III HU Berlin; Begutachtung: C. Offe, H. Münkler. – In den späten 90er-Jahren begann ein Umbau des deutschen Sozialsystems, der – kulminierend in den sogenannten Hartz-Reformen – zu einem sozialpolitischen Paradigmenwechsel führte. Spätestens mit der Einführung des Sozialgesetzbuches II (SGB) – so die leitende These des Autors – sind die Weichen für die Etablierung einer Workfare-Politik gestellt, die als wesentliches Element des – auch von der rot-grünen Bundesregierung verfochtenen – Leitbildes eines aktivierenden Sozialstaats verstanden werden muss. Allerdings hat sich dieser Paradigmenwechsel vom Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) 1962 bis zum Sozialgesetzbuch II 2005 nicht abrupt, sondern schleichend „durch inkrementale Anpassungen“ (319) vollzogen. Der Autor legt seiner analytisch-konzeptionellen Analyse die Frage zugrunde, „inwiefern die sozialpolitisch geformten Handlungsoptionen der Einzelnen hinsichtlich der Notwendigkeit, der Möglichkeit, des Umfangs und der Art und Weise des Verkaufs der Arbeitskraft zwecks Existenzsicherung“ (10) durch diese Transformation neu geordnet worden sind. In der ebenso anspruchvoll wie sorgfältig durchgeführten Untersuchung geht es zunächst – in Auseinandersetzung mit dem von Esping-Anderson eingeführten Konzept der Dekommodifizierung – um eine sozialstaatstheoretische Grundlegung. Gegenstand des zweiten Teils sind die typischen Leitbilder des „aktiven“, „schlanken“, „aktivierenden“ Staates. Die Implikationen der Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses in Gestalt zunehmend atypischer Beschäftigungen und der Umstellung vom Familienernährer- zum Zweiverdienermodell werden im dritten Teil behandelt. Der abschließende vierte Teil zeigt die schrittweise Implementierung der Workfare-Logik in den Interventionsformen zunächst des BSHG und dann im SGB II, die – auf Basis eines systematischen Missbrauchsverdachts gegenüber den Transferbeziehern – Anreizpolitik und Paternalismus verknüpft. Aufs Ganze gesehen setzt Brütt Maßstäbe für eine politiktheoretisch fundierte Analyse von Sozial- und speziell Arbeitsmarktpolitik.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 | 2.342 | 2.313 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Christian Brütt: Workfare als Mindestsicherung. Bielefeld: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33189-workfare-als-mindestsicherung_39676, veröffentlicht am 23.02.2012. Buch-Nr.: 39676 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken