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Patrick Bernhard

Zivildienst zwischen Reform und Revolte. Eine bundesdeutsche Institution im gesellschaftlichen Wandel 1961-1982

München: R. Oldenbourg Verlag 2005 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 64); X, 462 S.; Ln., 49,80 €; ISBN 3-486-57800-6
Geschichtswiss. Diss. München; Gutachter: H. Möller, G. Hockerts. – Als 1968 die Notstandsgesetze verabschiedet wurden, entzündete sich in der Bundesrepublik der außerparlamentarische Protest. Seither stieg die Zahl der Verweigerer drastisch an. Diese Entwicklung zeichnet Bernhard detailliert nach und geht auf den Motivwandel der Verweigerer ein. Während noch zu Beginn der 60er-Jahre die Mehrzahl der jungen Männer den Wehrdienst aus religiösen Gründen ablehnte, wurden nach 1968 primär politische Argumente für die Gewissensentscheidung vorgebracht. Die soziale Zusammensetzung der Gruppe der Verweigerer änderte sich, der Anteil derjenigen mit Abitur nahm rapide zu. Es vollzog sich gewissermaßen eine „Akademisierung“ (194). Das mehrstufige, komplizierte Anerkennungsverfahren, das teilweise „inquisitorische“ Züge trug, geriet immer stärker in die Kritik. Bernhard schildert nicht nur die Abschaffung des Prüfungsverfahrens, die Öffentlichkeit und Parlament erregte, sondern auch die Diskussion um die „Demokratisierung des Dienstes“ (397). Ein Resultat war das Zivildienstgesetz von 1973, das die Grundlage für die Errichtung eines eigenen Bundesamtes für den Zivildienst legte. Eindrucksvoll belegt er seine These, dass „der ab Mitte der 60er-Jahre einsetzende Wertewandel unter einer damals kleinen gesellschaftlichen Minderheit, den Kriegsdienstverweigerern, langfristig enorme Rückwirkungen nicht nur auf das Sozialsystem, sondern auch auf die Wehrstruktur und damit auf Kernbereiche des bundesrepublikanischen Staatswesens“ (391) hatte. Sein Fazit lautet: Die Studentenbewegung leitete den Wandel nicht ein, sondern verstärkte ihn lediglich. Sie erwies sich „als der besonders laute Teil einer ansonsten eher ‚stillen Revolution’ langfristiger kollektiver Einstellungen“ (413). Die Studie ist im Institut für Zeitgeschichte im Rahmen des Projekts „Reform und Revolte. Der Wandel der Gesellschaft der Bundesrepublik in den sechziger und frühen siebziger Jahren“ entstanden.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.313 | 2.331 | 2.324 | 2.35 | 2.32 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Patrick Bernhard: Zivildienst zwischen Reform und Revolte. München: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/24523-zivildienst-zwischen-reform-und-revolte_28323, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 28323 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken