Skip to main content
Jürgen Prott

Zukunft für Betriebsräte. Perspektiven gewerkschaftlicher Betriebspolitik

Münster: Westfälisches Dampfboot 2013 (Schriftenreihe der Hans Böckler Stiftung ); 332 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-89691-948-9
Jürgen Prott setzt sich mit Strategien zur Sicherung potenziellen Nachwuchses für die Betriebsratsarbeit auseinander. Die Bedeutung dieser Frage erschließt sich nicht nur vor dem Hintergrund soziokultureller Entwicklungen, in deren Umfeld bürgerschaftliches Engagement zwar weiterhin stark vorhanden ist, sich aber tendenziell weg von kontinuierlicher Betätigung und hin zu eher punktuell, zeitlich begrenzten Aktivitätsformen orientiert. Darüber hinaus bewegt sich gewerkschaftliche Interessenvertretung aktuell in einem Spannungsfeld zwischen Identitätswahrung und notwendiger Modernisierung: Auf der einen Seite erfordern politische und ökonomische Transformationen, aus Routinen auszubrechen und neue Strategien zu entwickeln. Dies erfordert auch eine Verjüngungskur der Betriebsratslandschaft. Auf der anderen Seite lässt die stark institutionalisierte und auf einem historisch‑kulturellen (auch basisdemokratischen) Selbstverständnis aufbauende Organisationsform deutscher Gewerkschaften konfliktbezogene Organizing‑Strategien etwa nach amerikanischem Vorbild nur begrenzt als nachhaltig erscheinen, wie Prott darlegt. Ausgehend von diesen Überlegungen und basierend auf der Auswertung von mehr als 130 Interviews mit Betriebsräten und Vertrauensleuten aus dem Organisationsbereich der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie zeichnet er anschließend Verhaltensweisen, Konfliktlinien und Rekrutierungsstrategien aus dem Alltag betrieblicher Interessenvertretung nach. Er zeigt, dass betriebliches Engagement gerade bei der (weiterhin dominierenden) älteren Generation immer noch von einem größtenteils altruistischen Selbstverständnis getragen wird, die damit verbundene Sorge um die Sicherung qualifizierten Nachwuchses aber nur in den wenigsten Fällen mit konzeptionell‑strategischen Rekrutierungsbemühungen einhergeht. Angesichts der Tatsache, dass die Bereitschaft zum dauerhaften Engagement eng mit Fragen der Identifikation mit der eigenen Arbeit verknüpft ist, während gleichzeitig der radikale Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt einer notwendigen Partizipationskultur entgegenläuft, legt Prott vor allem zweierlei dar: Zum einen muss wieder verstärkt Wert auf die beruflich‑fachliche Kompetenz der Interessenvertreter gelegt werden, zweitens erweisen sich die gewerkschaftlichen Vertrauensleute als „beste[s] Nachwuchsreservoir der Betriebsräte“ (324). Vor allem den Gewerkschaften kommt somit eine zentrale Verantwortung zu, zugleich wird ihnen aber auch eine Modernisierung und weiterführende Demokratisierung ihrer Organisationsstrukturen abverlangt.
{BW}
Rubrizierung: 2.331 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Jürgen Prott: Zukunft für Betriebsräte. Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38402-zukunft-fuer-betriebsraete_44704, veröffentlicht am 13.05.2015. Buch-Nr.: 44704 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken