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Philipp Gassert / Tim Geiger / Hermann Wentker (Hrsg.)

Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung. Der NATO-Doppelbeschluss in deutsch-deutscher und internationaler Perspektive. Hrsg. im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin und des Deutschen Historischen Instituts Washington

München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2011 (Schriftenreihe der Viertelsjahrshefte für Zeitgeschichte. Sondernummer); 410 S.; brosch., 59,80 €; ISBN 978-3-486-70413-6
Im Dezember 1979 beschlossen die Außen‑ und Verteidigungsminister der NATO‑Mitgliedstaaten in Brüssel, Pershing‑II‑Raketen sowie bodengestützte Marschflugkörper in Europa zu stationieren und zugleich der Sowjetunion Verhandlungen über eine beiderseitige Reduzierung nuklearer Waffen anzubieten. Dieser Doppelbeschluss hatte in den beteiligten Ländern erhebliche Konflikte zur Folge: Im Westen führte die Nachrüstung zu gesellschaftlichen Protesten mit Menschenketten und Großdemonstrationen, aber auch in der DDR und anderen Ostblockstaaten bewegte das Friedensthema viele Menschen. Neben dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan habe der NATO‑Doppelbeschluss, so die These der Herausgeber, die Wende von der Entspannungsära hin zur verschärften Ost‑West‑Konfrontation markiert. Die Autoren des Bandes, der auf eine Tagung des Deutschen Historischen Instituts in Washington und des Instituts für Zeitgeschichte München/Berlin im März 2009 in Berlin zurückgeht, widmen sich diesem Wendepunkt des Kalten Krieges. Ihr zentrales Anliegen ist es, nicht nur eine historische Bilanz zur Geschichte des NATO‑Doppelbeschlusses zu präsentieren, sondern dessen deutsch‑deutsche Dimension in den Kontext der Bündnisse zu stellen, also die „‚doppelte deutsche Zeitgeschichte‘“ (19) seit 1945 europäisch und transatlantisch zu kontextualisieren. Dabei stützen sie sich auch auf archivalische Primärquellen, u. a. aus der DDR. Wie es zu dem Beschluss kam, der zunächst einen Klimasturz im Ost‑West‑Verhältnis nach sich zog, und welche langfristigen gesellschaftlichen Folgen die Konfrontation zwischen dem politischen Establishment und der Friedensbewegung hatte, ist in diesem Band nachzulesen. Während der Bundesrepublik eine herausgehobene, wenn nicht gar die zentrale Rolle bei der Sicherstellung der Verteidigungsfähigkeit des westlichen Bündnisses zukam, ist es der DDR, wie Hermann Wentker zeigt, nicht gelungen, das Geschehen zu beeinflussen. Sie habe sich im Dilemma befunden, einerseits von der Bundesrepublik ökonomisch abhängig zu sein, andererseits auf die Sowjetunion militärisch angewiesen zu sein. Honecker habe keine Möglichkeit gesehen, die Bundesregierung zum Verzicht auf die Nachrüstung zu bewegen. Insgesamt bietet der Band eine außerordentliche Fülle an unterschiedlichen Aspekten zu diesem Thema, wie etwa zu den innerparteilichen Problemen in der SPD, sodass der Absicht der Herausgeber, Historikern einen „erste[n] Einstieg“ (19) in diesen noch jungen Forschungsbereich zu gewähren, entsprochen wird.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.1 | 4.3 | 4.2 | 4.21 | 2.313 | 2.314 | 2.62 | 2.64 | 2.61 | 2.331 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Philipp Gassert / Tim Geiger / Hermann Wentker (Hrsg.): Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung. München: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33815-zweiter-kalter-krieg-und-friedensbewegung_40515, veröffentlicht am 15.12.2011. Buch-Nr.: 40515 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken