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Thomas Duttle: Differentiated Integration at the EU Member State Level. An Empirical Comparison of European Integration Theories

19.06.2017
1 Ergebnis(se)
Autorenprofil
Dr. Jens Wassenhoven
Baden-Baden, Nomos 2016 (Studies on the European Union 11)

Differenzierte Integration in der EU. Ein empirischer Theorienvergleich

Differenzierte Integration, die Abweichung der Nationalstaaten von EU-Recht, hat den Entstehungsprozess der Europäischen Union von Beginn an begleitet. In der politischen Debatte wird auf sie mit unterschiedlichen Vorzeichen Bezug genommen. Positiv betrachtet findet sie im Begriff Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ihren Ausdruck.

Thomas Duttle verfolgt mit seiner Dissertation drei Ziele: Erstens geht es darum, das Ausmaß differenzierter Integration zu erklären. Dazu werden Verträge, Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen der EU untersucht. Zweitens sollen die Gründe für eine differenzierte Integration aufgezeigt werden. Die Hypothesen dafür entwickelt der Autor aus den drei Denkschulen der Internationalen Beziehungen Intergouvernementalismus, Supranationalismus und Konstruktivismus. Schließlich prüft er durch einen Vergleich die Aussagekraft der unterschiedlichen Theorien bezüglich der differenzierten Integration.

Innerhalb der Forschungsrichtung zur differenzierten Integration sieht Duttle bis dato wenige Studien, die sowohl auf ein theoretisches Fundament als auch auf eine breite Datenbasis zurückgreifen. Die Mehrzahl der vorhandenen Arbeiten sei entweder nur konzeptionell, normativ oder auch nur deskriptiv ausgerichtet. Darüber hinaus fehle in diesem Forschungsfeld bisher eine theorievergleichende Arbeit.

Duttle untersucht daher vergleichend die Theorien des Intergouvernementalismus, Supranationalismus und Konstruktivismus. Der Vergleich dieser Theorien, dies schlussfolgert er aus den meta-theoretischen Grundlagen der empirischen Ansätze von Karl Popper und Imre Lakatos, sei grundsätzlich möglich. Poppers kritischer Rationalismus geht von einem rationalen und linearen Fortschritt der Wissenschaften aus. Lakatos folgt dieser rationalen Sicht und differenziert sie in Richtung eines Theoriepluralismus weiter aus. Duttle widerlegt im Zuge dieses Vergleichs Thomas Kuhn, der mit seiner Theorie wissenschaftlicher Paradigmenwechsel die Möglichkeit des Vergleichs verschiedener wissenschaftlicher Theorien miteinander kritisch betrachtet.

Auf der Basis einer Auflistung der epistemologischen, methodologischen und ontologischen Grundlagen der drei Großtheorien erarbeitet Duttle seine Methodik für einen empirischen Vergleich. Er fächert dazu in einem breit angelegten empirischen Teil seine Untersuchung der unterschiedlichen Theorien auf der Basis von EUDIFF-Daten, die im Rahmen eines DFG geförderten Forschungsprojekts zur Differenzierten Integration von der Universität Konstanz gesammelt worden sind, weiter auf. Zunächst analysiert er die einzelnen Theorien und ihre Erklärungskraft hinsichtlich der differenzierten Integration. In einem nächsten Schritt vergleicht er die Aussagekraft der einzelnen Theorien miteinander und schließlich mit einem aus allen drei Theorien gebildeten Theoriemix. Aus der separaten Untersuchung der Theorien ergibt sich, dass die verwandten Theorien lediglich einen Teil der differenzierten Integration erklären können, wobei der Intergouvernementalismus statistisch die höchste Erklärungskraft aufweist. Was die Erklärung der horizontalen Unterschiede differenzierter Integration auf der Ebene der Mitgliedstaaten angeht, findet der Autor im Theoriemix die höchste Erklärungskraft.

Mit seiner statistisch angelegten Untersuchung zum Theorievergleich hinterfragt Duttle die Tendenz in der Europäischen Integrationsforschung, immer neue Theorien begrenzter Reichweite zu entwickeln. Er zeigt gleichzeitig, dass die Erklärungskraft einer theoriebasierten Untersuchung durch eine Verbindung verschiedener Theorien gesteigert werden kann. Damit leistet Duttle einen statistisch detailreichen Beitrag zum Thema Theorievergleich im Feld der Europäischen Integration.

 

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