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Ist der „Osten“ für Afrika der bessere „Westen“?

14.03.2017
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Autorenprofil
Dr. Ruth Achenbach
Autorenprofil
Dr. Stefan Schmid

In dem Projekt „Afrikas asiatische Optionen – AFRASO“ werden die Interaktionen zwischen afrikanischen und asiatischen Akteuren erforscht

Sdafrika 2Straßenszene in Südafrika. Screenshot aus dem AFRASO-Film "Just another Chinese Guy"China in Afrika – dieses Thema erhitzt die Gemüter seit einigen Jahren. Bereits 2008 organisierten das Zentrum für interdisziplinäre Afrikaforschung (ZIAF) und das damals noch junge Interdisziplinäre Zentrum für Ostasienstudien (IZO) zusammen mit der damaligen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit eine Konferenz in Frankfurt mit dem programmatischen Titel „China in Africa – who benefits?“ Denn schon in jenem Jahr war klar: So einfach, wie es die populäre Presse oft darstellte, ist diese Frage nicht zu beantworten, denn Chinas Engagement ist durchaus vielschichtiger und komplexer als das oft postulierte „neokoloniale“ Auftreten, dass die angeblich selbstlosen Entwicklungsprogramme des Westens konterkariert. So wurde und wird immer wieder behauptet, China sei in erster Linie an den Ressourcen des Kontinents und seinen Absatzmärkten interessiert, ohne Rücksicht auf die politischen Systeme oder den Erhalt der Umwelt. Beim „Westen“ hingegen stünden Achtung der Menschenrechte, Demokratie und Umweltschutz an oberster Stelle. Dieses Bild bekam aber bald Risse. Vor allem Deborah Brautigam konfrontierte mit ihrem Buch „The Dragon's Gift: The Real Story of China in Africa“ die Öffentlichkeit 2009 zum ersten Mal mit harten Fakten, die das Bild eines staatlich gesteuerten chinesischen „Masterplans“ für Afrika ins Schwanken brachten und auch die Scheinheiligkeiten des Westens offenlegten.

Als 2011 eine Ausschreibung des BMBF erfolgte, die zur Zusammenarbeit inneruniversitärer Regionalwissenschaften aufrief, war das Thema deshalb schnell gefunden – mit einem großen Unterschied zur ersten Konferenz: China sollte nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, aber der Fokus des geplanten Projektes sollte auf den bisher vernachlässigten Akteuren Asiens liegen, wie Malaysia, Korea, Japan und Indien. Denn relativ unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hatten auch diese Länder Afrika „entdeckt“ und spielen zum Teil eine wichtigere Rolle als China. So zieht Malaysia mittlerweile mehr afrikanische Studierende an als Deutschland, obwohl sie dort Studiengebühren bezahlen müssen. Und selbst mit dem großen China konkurriert das relativ kleine Malaysia im Wettbewerb um zahlende Studierende erfolgreich. Gute bis sehr gute Universitäten, eine funktionierende öffentliche Verwaltung, wesentlich geringere Studiengebühren und Lebenshaltungskosten als in den USA, Großbritannien oder Australien, ein toleranter Islam und ein für Afrikaner*innen angenehmes tropisches Klima sind die wesentlichen Gründe. Und, im Gegensatz zu China: Englisch als Unterrichtssprache. Korea engagiert sich ebenfalls in der Hochschulbildung und ist darüber hinaus als Vorbild auf der entwicklungspolitischen Ebene ein wichtiger Einflussfaktor für verschiedene Regierungen in Afrika, zum Beispiel in Äthiopien. Japan wiederum versucht sich von China durch die Etablierung von Kaizen-Instituten und die Ausbildung von Kleinunternehmern abzuheben, während Indien zum einen seine Vormachtstellung in der afrikanischen Telekommunikation ausbaut und zum anderen versucht, an seine historische Führungsrolle in der Blockfreienbewegung anzuknüpfen und sich als demokratische Alternative zu China zu positionieren.

Aber auch Indonesien, Thailand, die Philippinen und Vietnam: Alle haben Beziehungen zu afrikanischen Ländern etabliert, nicht unbedingt immer auf der zwischenstaatlichen Ebene, sondern oft eher auf der Ebene reisender und handelnder Akteure: vietnamesische Arbeiter in Angola, philippinische Lehrkräfte in Äthiopien, westafrikanische Händler in Bangkok oder Jakarta. Dabei steht eine zentrale Frage im Mittelpunkt: Bieten sich durch die Annäherung der beiden Kontinente neue Chancen und Optionen für Afrika, die es von der Abhängigkeit vom „Westen“ befreien könnten? Führt die neue multipolare Weltordnung wirklich dazu, dass sich afrikanische Länder wirtschaftlich diversifizieren? Entsteht durch die Zusammenarbeit zweier Kontinente des „Südens“ und die Begegnungen der Menschen etwas Neues, Hybrides, Transregionales – oder handelt es sich eher um rein pragmatische Wirtschaftsbeziehungen, die bei einem wirtschaftlichen Abschwung auch wieder schnell vorbei sein können? China selbst wird nicht müde zu betonen, dass China und Afrika „Brüder und Schwestern“ seien, die sich beide von der Unterdrückung des Westens befreit und beide eine gemeinsame Erfahrung als arme Agrargesellschaften hätten. Und diese Rhetorik kommt durchaus gut an bei afrikanischen Politikern, die der Bevormundung durch „den Westen“ überdrüssig sind. Aber reicht dies für eine neue „afrasische“ Ära?

Im Herbst 2012 wurde das Projekt „Afrikas Asiatische Optionen“ (AFRASO) vom BMBF bewilligt und seit Februar 2013 erforschen an der Goethe-Universität Frankfurt Professor*innen, Postdoktorand*innen und Doktorand*innen nun die beschriebene Vielzahl der Interaktionen zwischen Afrika und Asien.
Bereits in den ersten vier Jahren bearbeiteten die Forscher*innen Fallstudien in acht asiatischen und elf afrikanischen Ländern. Die Palette der untersuchten Fallbeispiele reicht dabei vom Leben afrikanischer Studierender in Südostasien über die Zusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen auf beiden Kontinenten sowie zwischenstaatliche und parteipolitische Beziehungen bis hin zum Indischen Ozean als Erinnerungsraum. AFRASO hat gezeigt, dass das weitverbreitete Klischee der chinesischen Dominanz in Afrika einer kritischen Überprüfung nicht standhält: Weder agiert China grundsätzlich in neokolonialer Art und Weise noch ist es immer der wichtigste asiatische Akteur. Bedeutender noch: Afrikanischen Akteuren bieten sich durch die Kooperation mit asiatischen Partnern tatsächlich neue Optionen, die eine Alternative zur bisherigen Fixierung auf „den Westen“ darstellen, wodurch sich auf den unterschiedlichsten Ebenen neue afrikanisch-asiatische Interaktionsräume herausgebildet haben.

Das Inter-Zentren-Programm hat nun erfolgreich eine Verlängerung beim BMBF beantragt, sodass bis Januar 2019 weitere Forschungen zu einer großen Bandbreite an Fallstudien und Untersuchungsregionen erfolgen können. In der Verlängerungsphase will AFRASO nun die begonnenen empirischen Arbeiten in modifizierter Form weiterführen und zum Abschluss bringen. Gleichzeitig werden die Wissenschaftler*innen ihre in der ersten Projektphase entwickelte transregionale Forschungsperspektive auf die Konstitution, Stabilisierung und Transformation „afrasischer“ Interaktionsräume konzeptionell weiter ausarbeiten und im Rahmen empirischer Forschung erproben. Sie untersuchen diese „afrasischen Räume“ in der Fortsetzungsphase zum einen unter dem Blickwinkel der Materialität und Institutionalisierung, zum anderen unter dem der Imagination und Diskursivität. Diese Schlüsselbegriffe beziehen sich konzeptionell aufeinander und dienen in allen Projekten als gemeinsame Leitlinien der interdisziplinären Forschungsarbeit. Mit dem Fokus auf die Stabilisierung und Transformation afrasischer Zwischen- und Verflechtungsräume möchte AFRASO bewusst eine Alternative sowohl zu den Global Studies als auch zur Vergleichenden Regionalforschung entwickeln und auf diese Weise zur konzeptionellen Erneuerung der Area Studies beitragen.

Das Projekt hat bereits in der ersten Förderphase zeigen können, dass transregionale Forschung im Spannungsfeld zwischen Regionalstudien und sogenannten systematischen Disziplinen wesentliche Erkenntnisfortschritte erbringt, die nur durch das enge Zusammenwirken einer Vielzahl von Lokal- und Fachexpertisen möglich werden. Mit einer vielbeachteten Konferenzreihe „African-Asian Encounters I-III“ in Kuala Lumpur, Kapstadt und Frankfurt hat sich AFRASO in der internationalen Fachwelt nachhaltig positioniert.

Besonderen Wert legt das Projekt auf Wissenschaftstransfer: Mit Lehrerfortbildungen und entsprechendem Lehrmaterial, Blogs und Dokumentarfilmen tritt AFRASO in den Dialog mit der Öffentlichkeit. Ein eigener YouTube-Channel (https://www.youtube.com/channel/UCC8Z4mYuoG692Wc7PaWSkOA) zeigt derzeit drei kurze Dokumentarfilme, die exemplarisch verdeutlichen, worauf es AFRASO ankommt: In „Just another Chinese Guy“ begleiten wir einen jungen Chinesen durch seinen Alltag in Johannesburg. In „Malaysia for me is...“ erzählen afrikanische Studierende, wie sie die malaysische Gesellschaft erleben. Und in „Small-Scale Gold Mining: Chinese Operations in Cameroon“ wird deutlich, wie vielschichtig und komplex die Frage ist: China in Africa – who benefit’s?

Mehr Informationen zum Forschungsprogramm finden Sie unter www.afraso.org.

 

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Fotoreportage

Yuyang Liu
Sea Change. Chinese Fishing in Africa
ChinaFile, 7. August 2017

 

Zeitschriftenschau

Haley J. Swedlund
Is China eroding the bargaining power of traditional donors in Africa?
International Affairs, März 2017, Volume 93, No. 2

Am Beispiel der Länder Ghana, Tansania und Uganda geht Swedlund, Assistant Professor am Centre for International Conflict Analysis and Management (CICAM) im niederländischen Nijmegen, der Frage nach, ob der Auftritt chinesischer Geldgeber das bisherige Verhältnis der afrikanischen Länder zu den Staaten, von denen sie seit Langem in ihrer Entwicklung unterstützt werden, verändert. Die Autorin kann zwar tatsächlich aktuell Veränderungen in diesen traditionellen Beziehungen erkennen, die Ursachen erweisen sich allerdings als vielfältiger.


zum Thema

China und die globalisierte Welt

 

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